Haltung zeigen. Illusionen erkennen. Wege für eine verbindende und motivierende Klimakommunikation

Rückblick auf den Auftaktworkshop von Bonn4Future

Wie kann Klimakommunikation gelingen? Daran haben 25 Menschen aus Klima- und Umweltorganisationen im Kommunikationworkshop von Bonn4Future gemeinsam gearbeitet. Spannende Erkenntnisse zum Auftakt gab es auch aus der Kommunikations- und Umweltpsychologie.

Bonn klimaneutral 2035 – dieses Ziel erreichen wir nur gemeinsam. Das  Mitwirkungsverfahren “Bonn4Future – Wir fürs Klima” will hierfür einen Grundstein legen. Ein erster Schritt: Die Klimakrise, ihre Herausforderungen und Chancen für Bonn sollen für viele erfahrbar werden. Dafür bauen wir mit Interessierten in den kommenden Monaten ein Kommunikationsnetzwerk auf, in dem wir unsere Erfahrungen gelingender Klimakommunikation teilen. Gemeinsam sichten wir wissenschaftliche Erkenntnisse und knüpfen Kontakte in die Bonner Zivilgesellschaft damit wir mehr Bonner*innen erreichen und für den Klimaschutz begeistern.

Die Grundlagen einer wertschätzenden Klima-Kommunikationskultur

Den Anfang machten 25 Teilnehmende aus vielen verschiedenen Bonner Initiativen und Klimagruppen am Donnerstagabend des 22. April. Gemeinsam begaben wir uns zunächst auf eine Spurensuche in unserer eigenen Biografie, in unseren Erfahrungen und unserem Wissen. Die Leitfrage: Wie kann eine wertschätzende Kommunikationskultur gelingen? Diese besondere Sammlung findet sich in der  Wordcloud (Größe unabhängig von Häufigkeit der Nennung):

Einig waren wir uns, dass wir unsere Haltung zueinander und zu andersdenkenden Menschen, mit denen wir kommunizieren wollen, neu ausrichten müssen. Gerade in einer oft polarisierten und vergifteten Gesprächskultur entlang sozialer, politischer und ökonomischer Konfliktlinien der Klimakrise[1] brauche es eine Offenheit für die Lebenswelt der Gegenüber. Keine moralisierende und überwältigende Kommunikation sondern eine aufmerksame Qualität des Zuhörens und Wertschätzens.

Acht Leitprinzipien einer gelingenden Klimakommunikation

Wenn wir  Menschen (wieder) in Kontakt  bringen  und die sogenannte ClimateSilence (das gesellschaftlich akzeptierte Schweigen rund um die existenzielle Bedrohung durch die Klimakrise)  durchbrechen wollen, dann können wir neben unserem kollektiven Erfahrungsschatz auch auf wertvolle Erkenntnisse zurückgreifen: Die Wissenschaftler*innen der Organisation Climate Outreach haben aus ihrer jahrelangen Forschung acht grundlegende Leitprinzipien für erfolgreiche Klimagespräche herauskristallisiert. Diese sind:

  • Respektiere deine*n Gesprächspartner*in & finde eine gemeinsame Basis: Finde heraus, was du mit deine*r Gesprächspartner*in gemeinsam hast und zeige ihr*ihm, dass du ihre*seine Anliegen, Prioritäten und Werte respektierst. Herauszufinden, was wir miteinander gemeinsam haben, baut Vertrauen und Verbindung auf, während ein Streit eher die Unterschiede zwischen uns hervorhebt.
  • Lerne von deine*r Gesprächspartner*in: Sehe das Gespräch als eine Möglichkeit, etwas darüber zu lernen, wie andere über die Klimakrise denken – und darüber, wie man ein gutes Gespräch führt.
  • Genieße das Gespräch: Wenn wir Spaß haben, ist es viel wahrscheinlicher, dass wir uns authentisch auf unsere Gesprächspartner*in einlassen und mit ihr verbunden sind.
  • Erzähle deine eigene Geschichte: Wenn du kein Wissenschaftler*in bist, ist es leicht zu denken, dass du nicht qualifiziert bist, über die Klimakrise zu sprechen. Aber die Forschung zeigt, dass Menschen nicht durch Statistiken motiviert werden, sondern durch Geschichten. Deine persönliche Geschichte ist also ein mächtiges Kommunikationsmittel!
  • Stelle Fragen: Anstatt deine*n Gegenüber über deine Ansichten zu belehren, frage, was die Klimakrise für sie*ihn bedeutet.
  • Höre zu und zeige, dass du zugehört hast: Die Klimakrise kann sich wie ein weit entferntes Problem anfühlen, getrennt von den alltäglichen Sorgen. Jemandem Fragen über ihre*seine Sorgen, Gefühle und Reaktionen auf die Klimakrise zu stellen, kann ihr*ihm helfen, sich mit dem Thema zu verbinden.
  • Erzähle was du Wirksames tust: Die Idee, „etwas“ zu tun, macht es einfacher, das Thema anzusprechen und die einschüchternden Informationen über die Klimekrise zu bewältigen.
  • Weitermachen und verbunden bleiben: Das Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein ermutigt uns, weitere Gespräche über die Klimekrise zu führen. Lasst uns also in Verbindung bleiben – und nicht aufgeben in Kontakt mit unseren Mitmenschen zu gehen!

Heruntergeladen werden kann dieser Leitfaden “Talking Climate” hier: https://climateoutreach.org/reports/how-to-have-a-climate-change-conversation-talking-climate/

Was bringt uns zum Handeln – und was nicht?

Neben der Verständigung über eine neue wertschätzdene Haltung wollten wir auch verstehen, welche Ereignisse, Begegnungen und Erfahrungen uns motivieren können, uns gegen die Klimakrise und für einen sozial-ökologischen Wandel zu engagieren. Wie stark die eigene Geschichte wirkt, haben wir auch an uns selbst erprobt. In kleinen Gesprächsrunden ging es um die Frage: Was hat dich motiviert, dich für Klimaschutz zu engagieren? Dabei stießen wir in der Runde auf Faktoren wie …

  • Erfahrungen in Gruppen handlungsfähig und wirksam zu sein, ob Pflanzaktion oder Protestaktion – und Spaß zu haben
  • in neue und langfristige Beziehungen zu gehen mit Menschen – und mit der Natur (Gartenarbeit,…)
  • Inspiration durch Vorbilder wie Greta Thunberg, FridaysForFuture, Greenpeace-Walschützer*innen oder persönliche Held*innen im eigenen Umfeld
  • erschütternde Ereignisse (Räumungen Hambacher Forst, Zerstörung Immerather Dom für Braunkohletagebau,…)

Was uns alles an motivierenden Faktoren zusammenkam, seht ihr hier (Größe unabhängig von Häufigkeit der Nennung):

Trugschlüsse erkennen und vermeiden

Wichtig für ein Erfolgsrezept gelingender Klimakommunikation ist für uns auch, nicht immer wieder in die selben Stolperfallen zu tappen. Daher findet ihr hier drei der zentralen Kommunikationsirrtümer zur Klimakrise.

  1. Die Illusion der Aufklärung: „Mehr Wissen, mehr Handeln“

Wir wollen Menschen bewegen. Dabei erliegen wir dem Trugschluss, dass das fehlende Wissen über Ursachen und Auswirkungen der Klimakrise den Mangel an Besorgnis und Klimahandeln erklärt. Und dass mehr Informations- und Wissensvermittlung zum Klimawandel erforderlich ist, um Menschen zu Klimahandeln zu bewegen. Zahlreiche umweltpsychologische Studien zeigen jedoch meist nur geringe Zusammenhänge zwischen Klimawissen und Klimahandeln. Auch in der Umweltbewusstseinsstudie desUmweltbundesamtes von 2018 hat sich das Bewusstsein über die Klimaproblematik zwischen September 2018 und Juni 2019 mehr als verdreifacht (von 16 auf 49 Prozent). Doch: Unser Verhalten folgt dem Wissen nicht, denn Wissen ist nicht sehr handlungsleitend. Oder wie ein Teilnehmer treffend formulierte: „Nicht vom Wissen zum Handeln, andersrum wir dein Schuh draus – vom Handeln zum Wissen.“

  1. Die Illusion der Panik: „I want you to panic“

Dürren, Sturmfluten, Weltuntergangsstimmung – wenn wir die Menschen genug schocken, werden sie sich endlich ändern. Oder? Richtig ist: Furchtappelle bewirken oft kein stärkeres Klimahandeln. Informationen über Klimarisiken führen zwar automatisch zu Handlungsüberlegungen, aber wenn wir bei diesen Überlegungen zu dem Schluss kommen, dass wir persönlich nicht viel tun können – eine Auffassung, die hinsichtlich der Klimakrise weit verbreitet und sehr nachvollziehbar ist – flüchten wir uns ganz automatisch (und oft schnell und unbewusst) in Abwehrreaktionen wie Wunschdenken, Verleugnung, Fatalismus, Wegschieben von Verantwortung oder Aufschieben von Handeln. Dabei sind geringe Wirksamkeitsüberzeugungen jetzt schon die Regel – und sie nehmen offenbar weiter ab, wie die Umweltbewusstseinsstudie des Umweltbundesamtes von 2018 erneut zeigte.
Wir müssen uns also nicht fragen: Wie erhöhen wir die Dramatik? Sondern: Wie erhöhen wir das Gefühl der Wirksamkeit?

  1. Die Illusion der Öffentlichkeit: „Das geht raus an alle“

Wenn wir kommunizieren denken wir oft von uns aus: Was will ich loswerden?  Dabei vergessen wir: Wen will ich eigentlich erreichen? Das sollen dann meistens „alle“ sein – doch das funktioniert nicht. Im schlimmsten Fall bewirken wir bei manchen Zielgruppen sogar das Gegenteil. Am Anfang unserer Kommunikation steht daher die Frage: An wen richten wir unsere Botschaften? Was macht diese Menschen, unsere Zielgruppe, genau aus? Welche Überzeugungen, Werte, Identitäten besitzen sie? Eine Kommunikationsstrategie für alle Zielgruppen gibt es nicht.

So clustern beispielsweise die Forscher*innen des Yale Institutes aus den USA die Bevölkerung nach ihren Ansichten zum Klimawandel in die „Six Americas“. Dabei verteilt sich die Bevölkerung entlang der Stärke des Glaubens an die Klimakrise in sechs verschiedene Gruppen, die alle auf Botschaften zum Klimaschutz unterschiedlich ansprechen. Ein Einblick:

Quelle: https://climatecommunication.yale.edu/about/projects/global-warmings-six-americas/

Lessons learned: Was halten wir davon fest?

Klimakommunikation ist komplex! Unsere Gesprächspartner*innen und Addressat*innen unserer Botschaften sind vielfältig. Das Vertrauen für eine offene Kommunikation über existenzielle Themen wie die Klimakrise und für Verhaltensänderungen muss teilweise erst aufwändig aufgebaut werden. Und das gelingt mehr durch Zuhören denn durch Loswerden. Wichtig ist auch dass Menschen das  Gefühl bekommen, die Klimakrise ist zu bewältigen. Dafür braucht es auf sie zugeschnittenes Wissen – ein Wissen weniger über Probleme und Risiken als vielmehr über Chancen und Handlungsmöglichkeiten. Es braucht viel mehr gute und hoffnungmachende Beispiele, in denen wir uns als wirksam erleben, sagt der Klimapsychologe Torsten Grothmann von der Universität Oldenburg. Und das im besten Fall über Menschen, denen die Zielgruppe vertraut – sogenannte „trusted messenger“.[2]

Einen Vorgeschmack auf weitere wirkmächtige Tipps und Werkzeuge aus der (Klima)Kommunikationsforschung gab es ganz am Ende – und diesen Einblick in die Macht sozialer Normen und Gruppenidentitäten gibt es im nächsten Blogbeitrag. Denn  dieser erste Workshop war vor allem ein Kennenlernen, Orientieren, Grundlage schaffen. Das Kommunikationsnetzwerk soll behutsam Fahrt aufnehmen. Bald wollen wir gemeinsam an diesen wertvollen und gelungenen Auftakt unseres Kommunikationsprozesses anknüpfen.

Du hast Lust beim Kommunikationsnetzwerk mitzuarbeiten? Melde dich bei kontakt@bonn4future.de mit deiner Organisation und deinen Kommunikationserfahrungen.

[1] Allein mit der Verwendung des Begriffs „Krise“ für die bereits stattfindenden und vor uns liegenden tiefgreifenden Veränderungen in Verbindung mit dem Klima können wir viel stärker die vielen sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen beschreiben, die es bedeutet. Der viel positiver besetzte Begriff „Wandel“ transportiert dagegegn etwas in Veränderung, das uns nicht betrifft. Siehe dazu auch Elisabeth Wehling: Politisches Framing.

[2] Das Handlungsmodell von Thorsten Grothmann zu den Ansatzpunkten für eine handlungsmotivierende Klimakommunikation findet ihr knackig zusammengefasst in dieser Präsentation: https://klima.landkreis-bayreuth.de/media/6346/grothmann_klimakommunikation_bayreuth_4okt2018.pdf

Text: Alex Wernke, Umweltpsychologe, arbeitet im Bereich Kommunikation und Bildung von „Bonn4Future – Wir fürs Klima“.

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Eine Antwort auf „Haltung zeigen. Illusionen erkennen. Wege für eine verbindende und motivierende Klimakommunikation“

  1. Liebe Gesa, liebes Bonn im Wandel,
    Ich habe mit großem Interesse diesen Text gelesen und mir gefällt ganz besonders der Aspekt des ZUHÖRENS! Dass das Zuhören als wirksames Instrument des Wandels betont wird, zeigt wahrlich einen guten Weg auf! Auch für meine ganz individuelle Persönlichkeitsentwicklung als jemand die etwas bewirken will. Zu oft lief ich herum in der Illusion, die beste Idee für einen gelingenden Lebenskulturwandel zu haben – und wunderte (ärgerte) mich über die geringe Resonanz.
    Herzliche Grüße aus Göttingen!
    von Helgard (Göttingen im Wandel)

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