UBUNTU – ist eine afrikanische Lebensweisheit. Dieser Ausdruck steht für Menschlichkeit und Gemeinsinn. Wörtlich heißt es: Ich bin weil wir sind! Für Nonty Ntokozo Charity Sabic ist UBUNTU die Botschaft des Südens an die Länder des globalen Nordens: „Wir müssen lernen zusammenzuleben und gerechte Gemeinschaften zu schaffen“, sagt Nonty . Sie war als Vertreterin des Europäischen Ökodorf Netzwerkes auf der Weltklimakonferenz. Im Interview erklärt sie ihre Perspektive auf die Konferenz und auch die Herausforderungen danach. Dazu gehört die zentrale Frage, welche Rolle die Wirtschaft übernimmt um den Klimawandel zu begrenzen…. (englische Fassung hier )
Nonty macht in ihren Kursen Versöhnungsarbeit zwischen Menschen aus dem globalen Süden und dem globalen Norden. Sie hat kürzlich das Netzwerk RISE mitgegründet. Es dient der Widerbelebung von indigener Spiritualität und Ökosystemen. Sie besuchte die COP23 als Vertreterin des Global Ecovillage Network, der globalen Ökodorfbewegung. In Südafrika genoss sie eine exzellente Schulbildung. In ihrer Arbeit verbindet sie schamanische Praktiken mit unserem modernen Leben im 21. Jahrhundert.
Nonty, warum bist du zur Weltklimakonferenz gekommen und welche Fragen hattest du im Gepäck?
Für mich persönlich war die Weltklimakonferenz eine großartige Möglichkeit Menschen zusammen zu bringen, sich austauschen und sich wirklich den Herausforderungen des Klimawandels zu stellen. Es ist eine gute Gelegenheit, die Fakten auf den Tisch zu legen und zusammen an Lösungen zu arbeiten.
Allerdings hinterfrage ich das Ausmaß dieser Weltklimakonferenz. Ich bezweifle, dass sich der finanzielle Aufwand lohnt. Das ganze Geld würde besser eingesetzt werden, um an Lösungen zu arbeiten, die dringend nötig sind.
Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass die COP23 alle Interessensvertreter_innen in einer fairen Art und Weise zusammenbringt. Vor allem fehlt Inklusivität und Wertschätzung gegenüber Menschen, die jetzt schon unmittelbar vom Klimawandel betroffen sind. Zum Beispiel Menschen, die in Fracking Gebieten leben oder Menschen aus dem Globalen Süden.
Ich will ein anschauliches Beispiel geben für den Mangel an Respekt: Es ist viel Geld und Energie in die Zeltstadt geflossen. Der Pavillon für die indigenen Völker hingegen ist einer der kleinsten. Das empfinde ich als Missachtung gegenüber den Menschen, die unmittelbar vom Klimawandel betroffen sind. Sie hätten deutlich mehr Platz gebraucht, um größere Veranstaltungen durchzuführen, einen Raum für Präsentationen und einen weiteren für den Austausch und Dialog, dass dass sich indigegene Völker miteinander austauschen können, aber auch mit Vertretern von Ministerien und Regierungen. In allen anderen Pavillons gab es solche Räumlichkeiten.
Ich kritisiere aber auch die Verhandlungen: Man diskutiert immer noch über die Vereinbarungen von Paris. Warum beginnt man nicht damit, diese Vereinbarungen endlich umzusetzen? Die Länder des globalen Nordens drücken sich immer noch darum, die volle Verantwortung zu übernehmen.
Und schließlich gibt es eine große Lücke zwischen Klimawandel und Wirtschaft. Wenn wir wirklich den Klimawandel angehen wollen, dann müssen wir uns auch fragen, was das für unsere Wirtschaft bedeutet.
„Wir müssen fragen über wen wir reden, wenn wir von der ‚Wirtschaft` sprechen? Sind wirklich negative Konsequenzen für unsere Wirtschaft zu befürchten oder sind die Konsequenzen nur nachteilig für Unternehmen, die davon profitieren, dass sie kontinuierlich Mutter Erde ausbeuten?“
Welche Botschaft hast du zur COP mitgebracht?
Unsere Botschaft kommt vom Global Ecovillage Network: Ein nachhaltiger Lebensstil ist besser, nicht nur für unsere Erde sondern auch für Basis unserer Gesellschaft und für unser inneres Wohlbefinden. Eins kann nicht ohne das andere existieren. Wir zeigen das an den vier Dimensionen. Es gibt die Dimension der Gesellschaft, die Ökonomie, die Kultur und die Natur. Keiner dieser Bereiche existiert für sich allein. Meine Schlussfolgerung ist:
„Lasst uns einen Lebensstil kultivieren, nach der Art der indigenen Völker, die Entscheidungen im Kreis und auf Augenhöhe fällen, lass uns zusammen daran arbeiten gemeinschaftliche Lebensformen zu schaffen, neue Formen der Selbstverwaltung, die besser sind als heute und neue Formen der Wirtschaft. Lasst uns nach Möglichkeiten suchen, Altbewährtes anzupassen an das Heute“.
Was bräuchte es aus deiner Sicht, damit die Klimaverhandlungen wirklich Fortschritte machen?
Zunächst einmal müssen wir klären: Brauchen wir überhaupt eine Weltklimakonferenz? Brauchen wir so eine riesige Veranstaltung? Was hat sie wirklich gebracht? Welche Wirkungen hatten die COPs auf den Klimawandel? Es müsste nur evaluiert und veröffentlicht werden, was die COPs bisher dazu beigetragen haben, um Lösungen für den Klimawandel zu finden.
Dann frage ich mich, ob wir nicht besser den Raum dafür schaffen sollten, dass ganz andere Menschen ins Gespräch miteinander kommen, die großen Konzerne, Regierungen, Menschen von der Basis, den Graswurzelbewegungen. Veranstaltungen, auf denen Raum für echten Dialog ist, bei denen die wissenschaftlichen Fakten auf den Tisch kommen und wir die Lücke schließen zwischen Klimawandel und Wirtschaft. Bringt alle Interessensgruppen an einen Tisch und versucht eine gemeinsame Basis zu finden, von der aus wir arbeiteten können, gemeinsam, nicht getrennt. Alle gehören an den Tisch, wir haben nur eine Erde.
Gab es etwas, was dich begeistert hat?
Ich war von einigen Nichtregierungsorganisationen und verschiedenen afrikanischen Ländern sehr beeindruckt. Sie leiden jetzt schon unter den Folgen des Klimawandels und suchen nach Lösungen. Sie sind wirklich bereit, das Problem grundsätzlich anzugehen, und ein nachhaltigeres Leben zu führen, indem sie zum Beispiel von der Ökodorfbewegung zu lernen und herausfinden was sie tun müssen, um aus ihren Dörfen Ökodörfer zu machen. Es gibt viel Interesse zu erneuerbaren Energien, Biogas und ähnliche Themen.
Mich hat auch inspiriert, dass die Regierungen jetzt nach Wegen und Werkzeugen suchen um die Nachhaltigen Weltentwicklungsziele zu erreichen, die SDGs. Das hat mich wirklich begeistert, dass Menschen daran interessiert sind. Mich hat außerdem beeindruckt, dass die indigenen Völker aus verschiedenen Teilen der Erde aufstehen und sprechen. Dass sie wissenschaftliche Evidenz nutzen und sich selbst organisieren, in dem sie nicht nur reden, sondern auch Forschungsarbeiten durchführen zu ökonomischen Fragen, um zu verstehen, wie die großen Konzerne ihre Gewinne erzielen durch die Zerstörung der Erde. Die Climate Justice Alliance hat sogar ein Buch darüber verfasst: Der CO2-Handel – eine kritischer Perspektive für den Widerstand von Klimagerechtigkeitsorganisationen. Dort heißt es:.
„Die Bepreisung von CO2 inklusive des CO2-Handels, CO2-Steuern und CO2 Offsets sind falsche Lösungen für den Klimawandel, denn sie führen nicht dazu, dass die fossilen Rohstoffe in der Erde bleiben. … Die Gewinne aus solchen Geschäften, können niemals die Zerstörung wieder gut machen, die durch die Förderung und Verschmutzung des Rohstoffes entstanden ist, der die Quelle des Gewinns ist“.
Es gibt auch Diskussionen darüber inwieweit die Länder des Nordens den globalen Süden mit Geld entschädigen sollten. Das sind allerdings nur kurzfristige Lösungen, verglichen mit den langfristigen Schäden. Es ist einfach sehr klar: Lasst die Rohstoffe in der Erde. Dieses Märchen vom Mangel ist letztendlich nichts anderes als der Versuch, Angst zu erzeugen. Wie haben genug Ressourcen, wir haben Sonne, Wasser und Erde.
Was ist deine Botschaft für die Menschen an der Basis?
Meine Botschaft lautet: UBUNTU. Das ist eine philosophische Grundhaltung von „Ich bin weil wir sind“. Wir müssen lernen zusammenzuleben und gerechte Gemeinschaften zu schaffen. Von dieser Basis aus können wir die Intelligenz der Gruppe nutzen und alles erorbern. Geht zurück um Euch wieder mit Mutter Erde zu verbinden und mit einem Leben mit dieser Erde. Von dort aus organisiert Euch und arbeitet zusammen.
Interview und Übersetzung: Gesa Maschkowski
Kleine, persönliche Anmerkung zur Übersetzung
In diesem Themenzusammenhang von Ubuntu erscheint mir diese Anmerkung zur Wortwahl jedoch hilfreich, weil für mich Worte auch Grundhaltungen transportieren.
Ich persönlich mag das Wort „muss“ nicht, weil es mir die freie Entscheidung nimmt, mich ernsthaft für meine oder unsere Bedürfnisse einzusetzen. Dadurch wird der weise Hinweis für mich zu einer Forderung, zu einem Zwang. (So verstehe ich auch die Gewaltfreie Kommunikation von M.B. Rosenberg. „Muss“ drückt für mich mehr aus, als dass keine Alternative gibt und wir haben immer eine Wahlfreiheit, auch wenn andere Optionen meist noch unangenehmer oder unvorstellbar sind.)
Deshalb erzeugt die obige Übersetzung „Wir *müssen* lernen zusammenzuleben und gerechte Gemeinschaften zu schaffen“ Widerstand in mir. Im Original heißt es: „We need to learn to coexist and create just communities.“ „Need“ empfinde ich anders als „must“ oder „have to“ nicht als müssen, sondern eher als „wir brauchen“, „wir bedürfen“, „es ist Not-wendig für uns“. Mit dieser Übersetzung zu „need“ fällt es mir allerdings schwerer des Satz flüssig zu übersetzen. (Vielleicht ein Zeichen, dass in unserer Kultur gerne in Forderungen statt in Bedürfnissen gedacht wird.) Eventuell geht’s so: „Wir brauchen ein Umlernen hin zu einem miteinander leben (Koexistenz) und zu Erschaffen gerechter Gemeinschaften.“
Dies ist nicht als Kritik gedacht, sondern als persönliche Anmerkung, was mir persönlich in dem Zusammenhang wichtig ist.