Mit dem bisher umfangreichsten Bonner Mitwirkungsverfahren „Bonn4Future – Wir fürs Klima“ haben wir Stadtgeschichte geschrieben. Und wir wurden gemeinsam mit 7 Initiativen für den TAZ Panterpreis nominiert. Warum wir alle sieben für die Transformation brauchen, warum Wettbewerbe an Grenzen stoßen und die Preisverleihung toll war, obwohl wir den Panter nicht nach Bonn geholt haben, erfahrt ihr hier in diesem Kommentar
Wir gratulieren den genialen Erfinder:innen des 9 Euro Fonds und Facing Finance e.V. zum Panterpreis 2023 der taz panterstiftung! Denn es kann nicht sein, dass Menschen im Gefängnis landen, weil sie sich kein Ticket leisten können. Und wir brauchen natürlich die Finanztransformation. Denn nach wie vor werden jede Minute weltweit Millionen von Subventionen in fossile Rohstoffe gepumpt. Gut dass es Facing Finance gibt, die den Banken auf die Finger schauen und sich auch mit ihnen anlegen. Wir brauchen aber auch alle anderen:
👉 Wir brauchen Initiativen, die Mut machen, wie Otto pflanzt in Magdeburg, die schon tausende von Bäumen in die Erde gebracht haben. Ihr Ziel: Ein Baum oder Strauch für jede:n Magdeburger:in.
👉Wir brauchen gut organisierte Azubis4Future, die sich für mehr Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit in Berufsschulen einsetzen
👉Wir brauchen Nachhaltigkeits-Innovationen in der Wirtschaft, wie die Genossenschaft Halvemi e.G., die regionale Hafermilch in Mehrwegflaschen auf den Markt bringt,
👉 und wir brauchen die Brückenbauer:innen zwischen Kommunen und Bürger:innen wie den Klimaentscheid Erfurt oder Bonn4Future. Menschen die den Transformations-Tango organisieren zwischen Politik, Verwaltung, Stakeholdern und Bürger:innen, und die fragen, was alle brauchen, damit der Tanz gelingt.
Warum alles so gut zusammen passt
Alle sieben Initiativen halten einen wichtigen Transformationshebel in der Hand. Wenn man sie konsequent weiterdenkt, dann würde
- Facing Finance nicht nur 5 Mitarbeitende haben sondern 50. Wir hätten endlich aufgehört die Verbrennung unsere Erde mit fossilen Rohstoffen zu subventionieren und genügend Geld, um das 9,00 Euro Ticket für alle zu finanzieren und natürlich den Ausbau eines pünktlichen, sauberen öffentlichen Nahverkehrs.
- Dann würden wir nicht nur in Magdeburg, sondern deutschlandweit pro Einwohner einen Baum oder Strauch pflanzen, gleich ob in Gärten, Industriegebieten oder auf Feldern. Es wäre das Ende der Agrarsteppen und wir könnten die Rückkehr der Insekten und Vögeln feiern.
- Durch die Azubis4Future wäre das Handwerk so attraktiv, dass sich die Betriebe vor Bewerber:innen nicht retten könnten.
- Wir würden in Bonn die guten Ideen und das gute Miteinander versiebenfachen. Wir würden nicht nur 300 Menschen beteiligen sondern 3000 Bonn4Future-Trainer:innen ausbilden, die 300.000 Menschen in den Bonn dafür begeistern, in ihren Quartieren und Institutionen das gute und klimafreundliche Leben zu starten.
Was Kokreation so herausfordernd macht
Die Herausforderung bei der großen Kokreation ist: Man kann sie nicht erzwingen. Aber man kann sie kultivieren. Das braucht Bereitschaft zur Zusammenarbeit auf allen Seiten. Und es braucht
- eine gute Analyse des Prozesses, der Kräfte und der Akteur:innen.
- die Anerkennung der Grenzen der Erde und die Verständigung über unsere gemeinsame Ziele,
- das Bekenntnis und den Willen zu Respekt und Wertschätzung,
- Formate, die Vertrauen und Sicherheit schaffen und die Kokreation fördern,
- kontinuierliches Lernen und Weiterentwickeln,
- Transparenz und Verlässlichkeit, damit Vertrauen wachsen kann.
Denn unsere Gesellschaft ist trainiert auf Konkurrenzkampf, Wettbewerb, Performance, Selbstoptimierung. Und die zunehmende soziale Ungleichheit führt zu Apathie, Enttäuschung und Frustration, Wutbürger:innen, Kampf und Polarisierung. Was es braucht, damit Kooperation und ein gutes Miteinander gelingen, das haben wir am wenigsten gelernt.
Was mir Hoffnung macht
Bonn4Future war ein großes Experiment. Was passiert wenn die Transition Initiative der Stadt, Bonn im Wandel e.V mit agilen Methoden und einer positiven Makrovision und die Stadtverwaltung mit tausenden von Mitarbeiter:innen in einem Mitwirkungsverfahren kooperieren? Wenn wir versuchen neue Wege zu gehen? Kooperation statt Gegeneinander zu kultivieren?
Das Experiment ist gelungen. Es ist uns gelungen, viele unterschiedliche Bürger:innen, Parteien, Gruppierungen und Menschen in der Verwaltung dafür zu gewinnen, an Lösungen für eine extreme Herausforderung zu arbeiten: Nämlich an der Frage: Wie werden wir siebenmal schneller mit der CO2 -Reduktion? Und wie können wir dabei gut oder sogar besser miteinander leben?
Die unterschiedlichsten Menschen haben dazu beitragen, über 200 zufallgeloste diverse Bürger:innen, zahlreiche Expert:innen aus der Verwaltung, Initiativen oder Parteien, Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen und unsere über 80 Unterstützerorganisationen. Und die Empfehlungen der Bürger:innen wurden gehört. Die Politik hat wegweisende Beschlüsse getroffen. Bonn4Future gehört zu den außergewöhnlich erfolgreichen Beteiligungsverfahren – nicht nur in Bonn. Das macht mir Hoffnung.
Transformation ist kein Freizeitprojekt
Es gibt einen Bonner Klimaplan. Und der Stadtrat von Bonn hat entschieden, dass alle Bürger:innen-Aktionspläne auf Umsetzung geprüft werden und dann in den neue Bonner Klimaplan aufgenommen werden. Das ist das Maximum was man mit einem Beteiligungsverfahren erreichen kann.
Die Projekt-Förderung ist beendet, aber eigentlich muss es jetzt losgehen. Noch ist unklar, wer sich darum kümmert, dass nicht nur die Ergebnisse abgearbeitet werden, sondern dass wir das gute Miteinander vervielfältigen, die Kokreation, die Methoden, die Haltung und das Know-how, also den Bonn4Future-Spirit. Denn die Verwaltung allein kann die Transformation nicht schaffen. Es geht nur zusammen. Und dafür braucht es Partner:innen auf Augenhöhe, so auch die Einschätzung von Wegbegleiter:innen aus unserem Bonn4Future-Prozess-Beirat.
„Nicht aufgeben, sondern sich weiter engagieren, auch wenn die politische Lage mittlerweile eher hoffnungslos erscheinen mag. Das zu unterstützen, zu fördern und ehren, ist Ziel des Panter Preises“,
so heißt es in dem Bericht in der taz. Manchmal bin ich müde. Natürlich hätten wir uns sehr gefreut den Panter mit nach Bonn zu bringen. Vielleicht ist auch ein Wettbewerb in den Zeiten der großen Transformation nicht mehr das richtige Format. Denn es braucht mehr und bessere Zusammenarbeit und eine Vervielfältigung der guten Ansätze. Das braucht mehr als Preise oder prekäre Arbeitsverhältnisse mit befristeten Stellen in niedrigen Entgeltstufen, auf denen Menschen versuchen, die Folgen einer jahrhunderte währenden Fehlentwicklungen abzumildern, nämlich unsere Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen und einem ungebremsten Wachstum auf Kosten von Mensch und Natur.
Und es braucht andere Spielregeln. Denn nach wie vor ist das nicht-nachhaltig Leben das einfachste und scheinbar günstigste, auch wenn wir durch die Hintertür hohe Preise dafür zahlen. Klimaneutral muss einfach schön und normal sein, forderten die Bürger:innen. Sonst bleibt das Ganze ein Freizeitprojekt für die Ökoblase und wir werden im Szenario zu spät und zu langsam enden.
Das, was wir vorhaben ist größer als die Mondlandung, das chinesische Wirtschaftswunder und der arabische Frühling zusammen, so ungefähr steht es im neuen Bericht an den Club of Rome, 50 Jahre nach Grenzen des Wachstums. Die große Transformation braucht daher verlässliche und kluge Investitionen, Zeit und Menschen , die einen großen sozialen Lernprozess ermöglichen. Denn technisch können wir das noch schaffen, so die Modulierungen des Weltklimarates. Nun braucht es einen Veränderungs- und Lernprozess, der es uns ermöglicht, Menschen zu sein und zu werden, die sich gut um sich selbst, umeinander und die Natur kümmern, deren Teil wir sind.
Zurück nach Berlin. Es war toll dabei zu sein. Es war ein ganz besonderer Moment, gemeinsam zu feiern, mit Pionier:innen zusammen zu treffen, von Mut und Kämpfen zu hören, und dem Traum richtig was zu bewegen. Es war toll, die Menschen hinter der taz und der taz panterstiftung kennen zu lernen, den Spirit und die außerordentlich festliche bis ins Detail durchdachte Veranstaltung. Und bei live Musik mit finnischem Tango zu tanzen.
Danke an die taz und die taz panter stiftung, dass Ihr diesen Preis erfunden habt und nun schon 15 Jahre ausrichtet! Und danke an die Stadt Bonn für die Förderung und die Kooperation bei Bonn4Future.
- Hier gehts zum Bericht in der taz
- Hier gehts zu den politischen Beschlüssen zu Bonn4future
- Hier gehts zu den „Stimmen über Bonn4Future„
Text: Dr. Gesa Maschkowski ist Transformationswissenschaftlerin und gemeinsam mit Andi Rüther und Dr. Eugen Hutmacher Co-Initiatorin von Bonn4Future. Sie hat das Verfahren konzipiert und die Umsetzung geleitet. Zum Bonn4Future Team gehörten durchschnittlich 11 Personen in bezahlten und unbezahlten Jobs.
Titelfoto: Anke Peters