Wir haben in Deutschland schon im April diesen Jahres alle Ressourcen verbraucht, die uns für 2017 zustehen. Wir brauchen nicht noch eine Billigmodekette, die unseren Klamottenkonsum weiter anheizt, auf Kosten von Mensch und Natur, so die Kritik von FEMNET und Bonn im Wandel auf der Podiumdiskussion. Sie diskutierten mit Vertretern der Wirtschaftsförderung, des Einzelhandels und dem Primarkchef von Deutschland. Im Gegenteil: „Fair muss nicht teuer sein“, schreibt FEMNET in seiner Meldung.„Fair muss nicht teuer sein“
12.09.2017 FEMNET/Bonn. Zwei Jahre vor Eröffnung des Maximiliancenters in Bonn hat sich der Deutschland‐Chef von Primark Wolfgang Krogmann der kritischen Öffentlichkeit im Rahmen einer VHS-Veranstaltung gestellt. Gisela Burckhardt, Geschäftsführender Vorstand von FEMNET, diskutierte mit ihm und bemängelte, dass sich nach dem Gebäudeeinsturz von Rana Plaza in Bangladesch fast nichts geändert hätte. „Die überwiegend weiblichen Beschäftigten müssen nach wie vor Überstunden von bis zu 14 Stunden leisten, sie werden beschimpft, gedemütigt und daran gehindert, sich Gewerkschaften anzuschließen. Die Löhne wurden seit drei Jahren nicht erhöht, der Mindestlohn liegt bei 60 Euro im Monat. Primark ist nicht schlechter als andere Marken, aber die unmenschlichen Arbeitsbedingungen in vielen asiatischen Ländern kann man ändern“, so Burckhardt auf dem Podium. Krogmann verwies auf umfangreiche Auditierungen (Kontrollen) in den Produktionsstätten. Burckhardt betonte jedoch, dass Audits allein keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Millionen von Textilarbeiterinnen brächten, da dabei nicht die wahren Arbeitsbedingungen in den Fabriken zutage kämen.
An dem prominent besetzen Podium nahmen auch teil Arnulf Marquardt‐Kuron vom Amt für Wirtschaftsförderung der Stadt Bonn, Gesa Maschkowski von Bonn im Wandel e. V. und Adalbert von der Osten, Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes Bonn Rhein‐Sieg Euskirchen e. V. in dem mit über 120 überwiegend jungen Teilnehmer_innen gefüllten Saal im Haus der Bildung in Bonn. Wie Krogmann verwies von der Osten auf die zahlreichen Verbesserungen in puncto Gebäudesicherheit in Bangladesch und zeigte Verständnis für die Nicht-Veröffentlichung der Lieferkette, „da es sich hierbei um Geschäftsgeheimisse handele“. Für Gisela Burckhardt nicht nachvollziehbar: „Transparenz verbessert Arbeitsbedingungen, da sie hilft, Rechtsverstöße anzuzeigen und unerwünschte Sublieferanten ausfindig zu machen“. Die Aufforderung zur Offenlegung der Lieferketten, wie es FEMNET zusammen mit der Clean Clothes Campaign in einer Transparenzkampagne fordert und dem C&A, H&M, Lidl, Aldi, u.a. nachgekommen sind, ließ der Primark-Chef an sich abprallen: „Wir gehen nicht in schlechte Fabriken.“ Burckhardt konterte: „Legen Sie Ihre Lieferantenliste offen, damit wir das prüfen können.“
Mit dem Appell „Stopp, es geht so nicht, die Grenzen der Ressourcenausbeutung sind erreicht“, brachte Maschkowski von Bonn im Wandel e. V. eine neue Dimension bei der Ansiedlung von Billigketten in die Debatte. Sie verwies auf die Defizite in der Stadtplanung und die Bedeutung einer lebendigen Stadtkultur mit Gärten und Cafés zugunsten von Mensch und Natur. „Wir haben keinen Mangel an Billigklamotten“, sagte sie. Arnulf Marquardt‐Kuron von der Stadt Bonn entgegnete, dass „eine große Schar von Menschen diese Sachen gerne anziehen“, und die Stadt letztendlich keinen Einfluss darauf hätte, an wen ein Investor seine Handelsfläche vermiete. Marquardt‐Kuron, von der Osten und Krogmann waren sich einig, dass die Schaffung von 200 dauerhaften Arbeitsplätzen die Ansiedlung der Modekette Primark rechtfertige. Für Burckhardt und Maschkowski zieht das Arbeitsplatzargument nicht, denn „die Kleidung wird auf Kosten der Arbeiterinnen – etwa in Bangladesch – hergestellt“, so Burckhardt. Zudem gibt es laut Maschkowski keinen Mehrwert für die Region. Die FEMNET-Vorsitzende Burckhardt forderte Krogmann abschließend auf: „Nutzen Sie Ihre Marktmacht und machen Sie es anders – fair muss nicht teuer sein.“