Warum wir Zukunftsvisionen brauchen – und was danach kommt

How to Bonn4Future 1: Alles was Menschen jemals geschaffen haben war irgendwann einmal ein Gedanke, ein Wunsch oder ein Traum. Diese Visionkraft haben wir im 1. Bonn4Future-Klimaforum genutzt. Über 100 Bonner:innen haben an der Frage gearbeitet: Wie sieht Bonn 2035 aus, wenn Bonn lebenswert und klimaneutral ist? 26 Zukunftsbilder sind entstanden. Dieser Artikel beschreibt warum wir diesen Ansatz gewählt haben, was dabei herausgekommen ist und wie wir damit weiter arbeiten.

Sportliche Leistungen, Bauwerke, Forschungsergebnisse, technische Innovationen, all das basiert auf unserer Fähigkeit in Gedanken eine positive Zukunft vorwegzunehmen. Diese Fähigkeit nutzt man auch seit Jahren in  Stadtentwicklungsprozessen. Denn der Blick über den Alltag hinaus, der Austausch über eine gute und wünschenswerte Zukunft mit anderen Menschen, hat eine große Veränderungskraft. Und: Wenn wir gemeinsam Vorstellungen entwickeln, wo es lang gehen soll, dann lässt sich im hier und jetzt viel leichter klären, was wir dafür tun können.

Ein Zukunftsprozess mit über 100 Menschen ist ein  Experiment. Man weiß nicht was dabei herauskommt. Aber man kann viel dafür tun, dass es gelingt. So haben wir bei unseren 1. Bonn4Future-Klimaforum dafür gesorgt:

1. Gute Zusammenarbeit braucht einen guten Rahmen

Wenn völlig fremde Menschen zusammen arbeiten sollen, braucht es Sicherheit und Vertrauen. Das kann gelingen, wenn jede:r mit seiner Perspektive willkommen ist. Ein respektvolles und wertschätzendes Miteinander ist möglich in überschaubaren Gruppen und mit klaren Regeln. Dafür sorgten unsere Moderator:innen aber auch unsere Beteiligungsvereinbarung (Ausschnitt siehe unten).

Vereinbarungen für eine gute Zusammenarbeit

2. Eine wissenschaftlich fundierte Informationsbasis

Wer in die Zukunft reisen will muss wissen, welche Herausforderungen uns erwarten.  Am 1. Tag ging es um Klimawissen für eine klimaneutrale Stadt . Was hat Klimawandel mit uns zu tun? Was muss sich verändern? Wo stehen wir in Bonn? Und welche guten Beispiele gibt es schon?

Prof. Dr Antje Boetius - Foto Esther Horvath
Prof. Boetius-Alfred-Wegener-Institut – Foto: Esther Horvath

Das Leben in Bonn wird viel wärmer, manchmal trockener aber auch nasser, sagte die Polarforscherin Prof. Antje Boetius. Städte müssen Wege finden, CO2-Emissionen zu vermeiden. Sie müssen durch kluge Kreislaufwirtschaft und Zusammenarbeit mit der Natur CO2 binden. Und sie müssen möglichst ganz auf fossile Energieträger verzichten. Wer früh damit anfängt hat einen Innovationsvorteil. „Auch in Bonn können Sie ein Stück der Korallenriffe retten oder einen Teil der Gletscher“, machte sie den Teilnehmenden Mut.

Dr. Sascha Samadi auf dem 1. Bonner Klimaforum beim Vortrag mit Mikrophon in der Hand
Dr. Sascha Samadi – Foto: Andi Rüther

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssen wir dreimal so schnell die erneuerbaren Energien wie Windkraft und  Photovoltaik ausbauen. Gleichzeitg müssen wir unseren Lebensstil ändern. Das verringert den Druck und erhöht die Chance, dass wir es schaffen, sagte der Ökonom Dr. Sascha Samadi. Er forscht seit vielen Jahren zur Frage wie Deutschland klimaneutral werden kann.

Jochaim Helbig, Leitstelle Klimaschutz im Interview
Jochaim Helbig, Leitstelle Klimaschutz

Joachim Helbig, Leiter der Leitstelle Klimaschutz der Bundesstadt Bonn, beschrieb in seinem Vortrag 5 Säulen für eine klimaneutrale Stadt. Säule 1 sind alle Maßnahmen, die bisher beschlossen wurden. Sie bringen annähernd 1 % der erforderlichen Treibhausgas-Reduktion. Säule 2 ist alles, was der Konzern Stadt leisten kann im Bereich Verkehr, Wärme oder Energie, Er verfügt über ein direkt zu steuerndes Reduktionspotenzial von 22%, und indirekt über 42 % durch Lieferung fossiler Energieträger an die Endkunden der SWB, vorausgesetzt die Bürger:innen nehmen das an.  Säule 3 besteht aus dem Beitrag der gesamten Stadtgesellschaft, er macht etwa 57 % aus. Das Bürgerbeteiligungsverfahren „Bonn4Future – Wir fürs Klima“ ist für ihn ebenfalls eine wichtige Säule. Nicht zu unterschätzen sind aber auch die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen, die darüber entscheiden, was eine Stadt umsetzen kann.

Gesa Maschkowski beim Vortrag auf dem Klimaforum
Gesa Maschkowski – Foto: Andi Rüther

Dr. Gesa  Maschkowski, Mitgründerin von Bonn im Wandel e.V.  und Bonn4Future, zeigte in ihrem Kurzvortrag : Veränderung ist möglich vor allem wenn wir uns zusammen tun. 820 Bürger:innen haben 2,6 Millionen Euro in Bürgeraktien der Regionalwert AG Rheinland investiert, damit es mehr Biobetriebe in der  Region gibt. In Köln gibt es die größte autofreie Siedlung von NRW.  In Potsdam wird eine Plattenbausiedlung grün und klimaneutral. Alle Beispiele haben gemeinsam:  Die Bürger:innen wirken mit.

3. Zeit zum Nachdenken und Expert:innenrat über Nacht

Moderationskarten mit Wünschen an die PolitikNach den Vorträgen hatten alle Teilnehmenden Zeit ihre Eindrücke zu teilen und auch schriftlich Fragen zu stellen. Fast 80 Fragen kamen zusammen. Sie wurden noch am selben Abend von der Stadtverwaltung, Wissenschaftler:innen von den Scientists4Future und von den Klima- und Energieexpert:innen, Steffen Krenzer und Barbara Fricke beantwortet und am nächsten Tag ausgehängt. Dazu gehörten Fragen wie: Reicht das Geld der Stadt um Klimaneutralität zu erlangen? (Antwort: Nein) Wie lässt sich ein kostenloses Bürger:innenticket einführen? Wie kommen wir von dem hohen Energieverbrauch runter? Oder auch: Welche Rolle spielen Speichertechnolologien?

4. Die Ergebnisse: Klimaneutral ist einfach und normal

Fahrrad, Strapenbahn und Blumen aus PfeifenputzernIn der Visionswerkstatt haben über 100 Menschen über 26 Zukunftsbilder erarbeitet. Was  jung und alt eint, ist die Sehnsucht nach einem guten Miteinander in einer schönen, lebenswerten Stadt. Aber auch die Erkenntnis, alleine ist das nicht zu schaffen. Das waren einige Leitthmen, die sich immer wieder in den Zukunftsbildern wieder fanden:

  • Ein großes Bedürfnis nach guter Nachbarschaft, gutem  Wohnen und Leben im Quartier und zwar für alle sozialen Schichten. Im Bonn der Zukunft gibt es Platz, Ruhe, Raum für Begegnung und Naturerfahrung,
  • Das Gemeinwohl sollte über allem stehen, der Stadtentwicklung aber auch der  Wirtschaft. Recycling, Upcycling, Kreislaufwirtschaft, all das ist im Bonn der Zukunft Realität.
  • Verkehr – bequem, sicher und inklusiv: In vielen Zukunftsbildern war die autofreie Stadt selbstverständlich. Fahrradwege sollen sicher und komfortabel sein, ÖPNV sozial gerecht und für alle einfach zugänglich.
  • Die Herausforderungen sind so groß – das können die Bürger:innen allein nicht schaffen. Sie wünschen sich, dass ein klimaneutrales Leben einfach wird und für alle möglich. Dazu gehört ein lokales Ernährungssystem das gutes und nachhaltiges Essen für alle Menschen ermöglicht. Bonn soll Vorreiter sein wünschen sich die Bürger:innen, es braucht einen Aufbruch, Umdenken. Klimaschutz muss cool werden. Dazu gehört natürlich Bildung für alle. Es braucht Transformationszentren in denen Menschen zusammen kommen können und damit beginnen, ihr Quartier umzugestalten.

Hier geht es zur animierten Slide Show mit ausgewählten Zukunftsbildern.
Auf www.bonn4future.de/klimaforum finden sich alle Vorträge und Arbeitsergebnisse.

5. Was kommt nach der Vision?

Bonn4Future verläuft in Lernkreisläufen. Gemeinsam mit Wissenschaftler:innen, der Stadtverwaltung, der Politik und unserem Beirat werden wir die Ergebnisse nun sichten und diskutieren. Welche Hinweise gibt es jetzt schon für die Entscheidungsträger:innen und die Verwaltung? Welche Themen sind besonders wichtig für Bonn? Was müssen wir in den nächsten Klimaforen bearbeiten?

Das nächste Forum : Gute Ideen für den Wandel

Sicher ist: In den nächsten Klimaforen am 4. und 5. März wollen wir mit den Bürger:innen an Ideen arbeiten. Die Leitfrage ist: Was muss sich verändern in unsere Stadt, was muss mehr und was weniger werden? Dafür werden wir uns Themenfelder ansehen, die besonders wichtig sind für ein  klimaneutrales und lebenswertes Bonn.

Im letzten Klimaforum, im Sommer 2022 wollen wir dann wissen: Wer muss was tun, damit unsere Stadt klimaneutral wird? Und wer muss bis wann was umsetzen? Das ist unser Beitrag zu einer klimaneutralen Stadt.

Sie wollen sich jetzt schon engagieren?  Hier geht es zur Bonn4Future- Kommunikationsakademie.

Text: Dr. Gesa Maschkowski, Transformationswissenschaftlerin, Erfinderin von Bonn4Future

Das 1. Bonner Klimaforum ist Teil des bisher größten Beteiligungsverfahrens in Bonn, “Bonn4Future – Wir fürs Klima”. Das Konzept des Beteiligungsverfahren stammt von Dr. Gesa Maschkowski und wurde in Zusammenarbeit mit vielen Expert:innen ehrenamtlich erarbeitet. Auch die Bonner Stadtverwaltung hat mitgearbeitet. Die Transition Inititative Bonn im Wandel e. V. ist nun für die Umsetzung verantwortlich, in Kooperation mit der Bundesstadt Bonn. Das Mitwirkungsverfahren gibt es nur, weil fast alle Parteien den Ratsbeschluss unterstützt haben, dieses Projekt zu fördern. Gemeinsam erfinden wir neue Wege wie Bürger:innen,  Politik und Verwaltung besser zusammenarbeiten können.

Sie wollen, dass es mehr von solchen Projekten gibt? Hier gibt es gute Möglichkeiten sich zu engagieren und uns zu fördern https://bonnimwandel.de/wandel-foerdern/ 

 

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