Wann Brügge, Neapel und Istanbul untergehen und warum wir in Bonn darüber sprechen müssen

Wenn wir so weiter machen werden Brügge, Neapel und Istanbul nicht mehr am Wasser sondern unterm Wasser liegen, so die neueste Meldung des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Was macht das mit uns und was machen wir eigentlich?

Samstag im März 2014. Die Frühlingssonne strahlt, Vögel bauen Nester und der:die gemeine Rheinländer:in beschäftigt sich mit dem Start ins Wochenende. Was die Wissenschaftler Ben Marzeion und Anders Levermann diese Woche von unserer Zukunft verkünden klingt dagegen unglaubwürdig, eher wie ein schlechter Science Fiction: „Von der Freiheitsstatue in New York über den Tower of London bis hin zum Opernhaus in Sydney – vom Anstieg des Meeresspiegels sind nicht nur großer Teile der Weltbevölkerung an den Küsten betroffen, sondern auch Stätten des Weltkulturerbes“, so die neueste Pressemeldung des renommierten Potstdaminstitut für Klimafolgenforschung, kurz PIK.

Besiedelte Gebiete werden zu Ozeanen

Die globale Durchschnittstemperatur ist bereits um 0,8 Grad angestiegen, verglichen mit der vorindustriellen Zeit. Bei 1 Grad Erwärmung sind weltweit 40 Kulturstätten unmittelbar vom Wasser bedroht, schreibt das PIK. Steigt die Temperatur um 3 Grad, dann ist rund ein Fünftel des Weltkulturerbes langfristig gefährdet. Wenn wir unsere Treibhausgasemissionen nicht sofort drastisch reduzieren, müssen wir bis zum Ende des Jahrhunderts mit einer globalen Erwärmung um bis zu fünf Grad rechnen, so die Einschätzung der Wissenschaftler. Zu dem betroffenen Weltkulturerbe gehören historische Stadtzentren wie Brügge, Neapel, Istanbul und St. Petersburg oder Stätten in Indien und China. Neben Kulturdenkmälern wären auch die  Siedlungsgebiete von Millionen von Menschen an den Küsten betroffen. Bei einer globalen Erwärmung um drei Grad könnten bis zu zwölf Länder der Welt mehr als die Hälfte ihrer derzeitigen Landfläche verlieren. Weitere 30 Länder verlieren ein Zehntel ihrer Fläche.

Von Umweltangst und Klimamüdigkeit

Die Meldung ist erschreckend, ich fühle mich ohmächtig, hilfos und überfordert;  – und bin damit nicht die Einzige. Die belgischen Wissenschaftler Anneleen Kenis und  Erik Mathijs, stellten fest dass auch umweltbewusste Menschen machtlos fühlen, wenn sie sich mit dem Klimawandel beschäftigen. Junge engagierte Studienteilnehmer berichteten, dass sie nicht das Gefühl hätten, sie könnten etwas ändern oder mit ihrem eigenen Handeln etwas bewirken. Es geht aber auch schlimmer. Beängstigende Klima-Nachrichten können Depressionen auslösen, stellten Umweltpsychologen fest. Begriffe wie „Climate-fatigue“, sprich Klimamüdigkeit  oder „Eco-Anxiety“ auf deutsch Ökoangst geistern durch die wissenschaftliche Literatur.

Hinter der Angst steckt die Liebe zur Welt.

Die größte Gefahr ist, dass wir nicht über unsere Sorgen und Ängste sprechen, dass wir wegsehen und weghören, wie bei einer unheilbaren Krankheit, um nicht die Illusion der schönen heilen Welt zu stören, schreibt die Tiefenökologin Joanna Macy in ihrem neuen Buch Active Hope. Hinter der Angst aber steckt die Liebe zur Welt, sagt die Buddhistin. Und in der Liebe zur Welt steckt die Kraft, die wir brauchen, um Veränderungen zu starten.

Zu einer ähnlichen Erkenntnis kam Kosha Joubert. Sie wuchs während der Apartheid in Südafrika auf, ihr Vater stammt aus einer südafrikanischen Burenfamilie, ihre Mutter ist Deutsche. Schon als Kind stellte sie sich gegen die Apartheit, heute ist sie Moderatorin, interkulturelle Botschafterin und Präsidentin des Global Ecovillage Network, eine weltweite Vereinigung von Ökodörferen. Zu ihrer persönlichen Motivation schreibt sie:  „Ich kam als Jugendliche zu der Überzeugung, dass die Apartheit und das Dritte Reich erst möglich wurden, weil Menschen nicht miteinander sprachen, über das, was sie innerlich bewegt und verbindet. Wären Konzentrationslager möglich gewesen, hätte man das Schluchzen und Grauen über Stacheldraht hinweg in deutschen Wohnzimmern gehört? Wäre Apartheid möglich gewesen, hätten südafrikanische Mütter aller Hautfarben sich ausgetauscht über die Sorge um die Zukunft ihrer Kinder? Wie viele Menschen haben sich angewöhnt, schweigend über Unrecht hinwegzusehen?“

Einfach darüber sprechen: 3 Fragen zum Klimawandel

Das Gespräch über den Klimawandel in Gang bringen war auch die Idee der Britin Emily Hinshelwood. Die junge Autorin wandert seit über einem Jahr durch Wales und stellt jedem Menschen, den sie trifft drei Fragen: 1) Was fällt dir ein, wenn du an Klimawandel denkst? 2) Wie oft ist der Klimawandel in deinen Gesprächen ein Thema? 3) Gibt es irgendetwas, was du selbst tun kannst, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen? Auf ihrer Wanderung traf sie Menschen zwischen 8 und 80 Jahren. Die interessanteste Erfahrung, schreibt Emily, war, dass viele ihrer Gesprächspartner zu Beginn sagten, sie wüssten überhaupt nichts über Klimawandel und dann selbst überrascht waren, wie viel ihnen einfiel.

Mit falschen Illusionen aufräumen

Leider sind die Deutschen keine Klimaweltmeister sondern genau genommen Klimakiller, stellte Prof. Ulf Schrader, TU Berlin, kürzlich auf dem Fachforum Verbraucherforschung zum Nachhaltigen Konsum fest. Rechnet man alle Waren, die wir importieren zu unserem CO2-Fußabdruck hinzu, dann haben wir seit 1990 kein Gramm CO2 eingespart, sondern unsere Emissionen lediglich in andere Länder verlagert. Mit unserem Ressourcen- und Flächenverbrauch sieht es auch nicht besser aus. Schrader wünscht sich mehr Selbstkritik von Seiten der Politik angesichts der bisher bescheidenen Erfolge das Konsumniveau zu ändern.

In der Stadt Bonn gibt es sogar Zahlen für das Dilemma. Seit Ende letzten Jahres haben es die Stadtväter schwarz auf weiß: Das aufwändige Gutachten „Integriertes Klimaschutzkonzept“, macht deutlich, dass die Stadt ihre selbstgesteckten Klimaziele verfehlen wird, selbst wenn sie –  trotz knapper Kassen –  alle Maßnahmen umsetzt, die von den Gutachtern vorgeschlagen wurden. Statt der geplanten CO2-Reduktion um 40 % bis zum Jahr 2020 reichen die Maßnahmen nur für eine Reduktion um 28 %, verglichen mit dem Jahr 1990.

Ohne die Kreativität, das Engagement und einen großen Veränderungswillen der Bürger wird es also nicht gehen. Oder wie Transition Town Gründer Rob Hopkins schreibt: Wenn wir auf die Politik warten, wird es zu spät sein, wenn wir alleine etwas tun, dann wird es zu wenig sein, aber wenn wir uns zusammen tun, dann könnte es gerade noch rechtzeitig und gerade noch ausreichend sein.

Dr. Gesa Maschkowski, Transformationswissenschaftlerin, Mitgründerin und Vorstandsmitglied von Bonn im Wandel e.V.  und von der ersten solidarischen Landwirtschaft in Bonn SoLaWi Bonn/Rhein-Sieg e.V.

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