Runter vom CO2 – das ist zu teuer: Ein Liebesbrief an die Bonner Parteien

Good News: Die politischen Beschlüsse und der Einsatz vieler Menschen wirken. Unsere CO2-Emissionen sinken. Bad News: das geht zu langsam.  Im Jahr 2022 haben wir in Bonn 1,94 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt. Wenn man das visualieren würde, dann wären das über  600 schwarze Heißluftballons jeden Tag. Diese Menge verursacht  täglich über 4 Millionen Euro Schäden durch Krankheit, Tod oder Ernteausfälle. Wir müssen schneller runter vom CO2. Ein Liebesbrief an alle demokratischen Parteien.

Sehr geehrte Vertreter:innen der demokratischen Parteien in Bonn,

Wir danken Ihnen, dass Sie am 7.11.2019 einvernehmlich und parteiübergreifend beschlossen haben, dass Bonn bis spätestens 2035 klimaneutral wird. Seitdem ist viel passiert. 2020 startete das größte Mitwirkungsverfahren der Stadt: Bonn4Future – Wir fürs Klima, Im Jahr 2022 wurde der Klimaplan erarbeitet.

Am 23.3. 2023 haben Sie wieder mit großer Mehrheit beschlossen, dass alle Empfehlungen auf Umsetzung geprüft werden sollen. Das war ein unglaublicher Erfolg und ein Zeichen für Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Im Jahr 2024 wurde das Update des Klimaplans veröffentlicht mit den Empfehlungen der Bürger:innen aus Bonn4Future-Wir fürs Klima.  Bonn verfügt über einen Klimaplan der Wissen und Erfahrungen eines Gutachterkonsortiums, der Verwaltung und der Bevölkerung verbindet.   Das ist außergewöhnlich.

Nun werden die ersten Erfolge sichtbar. 2020-2022 haben wir die Treibhausgasemissionen mehr als doppelt so schnell gesenkt wie in den Jahren davor, nämlich 2,5 % statt 1 %. Wir brauchen aber eine Reduktion von 7 % pro Jahr.  Die  1,94 Millionen Tonnen  Treibhausgase, die wir im Jahr 2022 emittiert haben, sind umgerechnet  5300 Tonnen CO2 pro Tag. Wenn man diese Menge sichtbar machen wollte, dann wären das über 600 Heißluftballons, die wir Tag für Tag in die Atmosphäre entlassen.  Sie bleiben Jahrhunderte in der Atmosphäre, heizen das Klima weiter auf und gefährden unsere Zukunft, die Wirtschaft, Ernährung, die Gesundheit.

Die Kosten zahlen unsere Kinder, die Wirtschaft, die Schwangeren und die Landwirt:innen

Jede Tonne CO2 verursacht laut Berechnungen des Umweltbundesamt 880  Euro Schäden. Unsere  1,94 Millionen Treibhausgase aus Bonn verursachen also 1,7 Milliarden Euro Schäden, zum Beispiel durch Dürren und Überflutungen in der Landwirtschaft, Gesundheitsschäden, Kosten für die Kühlung von Gebäuden und den Anstieg des Meeresspiegels

Klimafolgen- Verdorrter Mais
Foto: Gesa Maschkowski

Diese Klimaschäden aus Bonn sind genau so hoch wie der gesamte Jahresetat der Stadt Bonn im Jahr 2023.  Wir könnn sie auch nicht mit ein paar Baumpflanzungen oder Ökolandbau gut machen Zum Vergleich: Die SoLaWi Bonn hat im gesamten Jahr 2021 ökologische Leistungen von insgesamt 15.200 Euro erbracht, macht 42 Euro pro Tag. Und zwar durch Humusaufbau, Klima- und Wasserschutz und Förderung der biologischen Vielfalt, so die Ergebnisse der Regionalwert-Leistungsanalyse. Selbst wenn wir 100 Solawis in und um Bonn hätten, wir könnten die Bonner Klimaschäden nicht gut machen. Der einzige Weg ist, viel schneller aus den fossilen Verbrennern auszusteigen.

Was bedeutet das für Bonn?
Wissenschaftliche Modellierungen legen nahe, dass im Jahr 2022 durch die Hitze mindestens 20, wenn nicht sogar 40 Menschen gestorben sind. Besonders gefährdet sind ältere oder kranke Menschen. Das sind aber nur die extremsten Auswirkungen der Klimazerstörung.  Auch Hebammen schlagen Alarm: Die Klimakrise ist die größte gesundheitliche Bedrohung für schwangere Frauen, Neugeborene und Familien.

Auch unsere Ernährungsversorgung ist durch die Zerstörung eines stabilen  Klimas gefährdet. Wenn uns nicht gelingt, die Treibhausgase sofort schnell zu reduzieren erreichen wir in Deutschland im Sommer laut Klimaservice Copernikus Temperaturen von 45 bis 50 Grad im Schatten. Bei diesen Temperaturen wachsen die wichtigsten Nahrungspflanzen nicht mehr. Die Bonner Wissenschaftlerin  Dr. Sabine Seidel berichtete auf dem vierten Bonn4Future Klimaforum vom 100 jährigen Humusversuch der Universität Bonn. Wenn die Temperaturen weiter steigen, kann es passieren, das unsere Böden nicht mehr CO2 speichern sondern freisetzen. Und wie es unseren Landwirt:innen mit den Klimaturbulenzen geht, kann man auch im  General Anzeiger lesen.

Auch die Wirtschaft ist in Gefahr. Darauf wies die europäische Umweltbehörde wiederholt hin. Europa gehört zu den Kontinenten, die sich am schnellsten erhitzen, schrieb sie in ihrem Bericht 2024.

„Klimarisiken können sich kaskadenartig von einem System oder einer Region auf andere übertragen (…). Beispiele hierfür sind extreme Dürren, die zu Wasser- und Ernährungsunsicherheit, Störungen kritischer Infrastrukturen sowie Bedrohungen für die Finanzmärkte und die Stabilität führen.“ (Europäische Umweltbehörde 2024)

Startseite der Europäischen Umweltbehörde mit einem Foto von einer Person, die durch Wassermassen watet
Quelle: Europäische Umwelt Agentur https://www.eea.europa.eu/de/highlights/europa-ist-nicht-auf-die

Mut zum Aufbruch

Veränderung beginnt im Kopf, braucht Mut, Aufbruch und Vorbilder, vor allem in der Politik. Das gaben uns die Bürger:innen aus dem großen Bonn4Future Verfahren mit:

Als wichtigsten ersten Schritt empfehlen die Teilnehmenden, dass Bürger:innen und Politik regelmäßig zusammenkommen und ein politisches Commitment zur Mobilitätswende abgeben“. (Bonn4Future Aktionsplan 2.1)

Sehr geehrte Vertreter:innen der Bonner Parteien,

wer mit fossilen Verkehrskonzepten auf Stimmenfang geht oder Maßnahmen des Klimaschutzes wieder zurück nimmt, tut niemandem einem Gefallen, im Gegenteil.  Das treibt die Folgekosten in die Höhe und gefährdet unsere Gesundheit, Ernährung  und unsere Zukunft.

Nehmen Sie die Arbeit und die Empfehlungen von über 200  Bürger:innen aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten  ernst.  Die inspirierenden Empfehlungen der Bürger:innen aus Bonn4Future finden Sie als Kurzclips hier.  Sie können auch davon ausgehen, dass sich auch  89 % der Menschen in Bonn wünschen, dass sich die Politik berherzt daran macht, das Problem mit diesen fossilen Verbrennern zu lösen

Klimaneutralität kann man nicht verordnen, sie gelingt nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Hinter dem Klimaplan stehen hunderttausende von Stunden und Euros von Ihnen und von uns, von über 200 zufallgeloste Bürger:innen und über 80 Organisationen die Bonn4Future mitgetragen haben, von innovativen Unternehmen, die mitgemacht haben und von der Verwaltung und den städtischen Betrieben und vielen weiteren Organisationen und Initiativen, die Sie auf der Bonn4Future Karte finden..

Wir sind aber zwei Jahre nach Bonn4Future noch weit davon entfernt, dass alle Bonnerinnen und Bonner begreifen, was es für ihr Leben bedeutet, wenn wir jeden Tag CO2 im Volumen von über 600 Heißluftballons in die Atmosphäre entlassen. Die Kommunikation muss ehrlicher werden und mehr Menschen abholen. Wir sind auch weit davon entfernt, dass die Bonnerinnen und Bonner die Chance bekommen, genau das zu tun, was die Bürger:innen bei Bonn4Future erarbeitet haben, nämlich ein Wir-Gefühl zu entwickeln und gemeinsam ihre Häuser und Quartiere klima-und menschenfreundlich umzubauen. Darum geht es jetzt, mit höchster Priorität, auch das ist eine Frage der Demokratie.

Aus dem Bonn4Future Aktionsplan 2.2.
Damit in Bonn im Jahr 2035 die Lebensqualität in den Quartieren gewährleistet wird, ist ein wichtiger Meilenstein 2030, dass jede Person in Bonn innerhalb von 15 Minuten sicher, zu Fuß und barrierefrei die wichtigsten alltäglichen Ziele erreicht. Als wichtigen ersten Schritt sehen die Bürger:innen, dass der tägliche Bedarf der Bevölkerung identifiziert wird und ein WIR-Gefühl im Veedel geschaffen wird, sodass sich alle in einem Viertel für die Neuerungen einsetzen und begeistern. https://www.bonn4future.de/de/aktionsplan/mobilitaet

Über 100 Bürger:innen winken freudig in die Kamera. Vor Ihnen das Bonn4Future Banner- Foto;Christoph Schnüll
Foto: Nele Lilly Schnüll

Text: Dr. Gesa Maschkowski ist Transformationswissenschaftlerin,  Mitinitiatorin und Projektleitung von Bonn4Future- Wir fürs Klima und Gründungsmitglied der Fachgruppe Agrar und Ernährung der Scientists4Future

Ich danke den Scientists4Future Bonn für die Unterstützung bei der Recherche zu Hitzetoten in Bonn. Die Illustration der Titelgrafik ist von Liane Hoder, ergänzt durch die Autorin

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