Wieder einmal wird im Stadtrat über die weiteren Schritte zur Zukunft des Viktoriaviertels beraten und entschieden. Um Ihre Informationsgrundlage zu komplettieren und um Ihnen unsere Stellungnahme und Klarstellung zur Bürgerwerkstatt (unten) zukommen zu lassen, erhalten Sie dieses Schreiben. (Von Bernhard Harlander, Sara Faßbender, Clara Arnold, Klara Esch, Johannes Roth)
Als Teilnehmer der Empfehlungskommission in der Rolle der gelosten Bürgervertreter und als Vertreter für Anwohner und Gewerbetreibende des Viktoriaviertels wurden unsere Meinungen und Bedürfnisse in der Bürgerwerkstatt leider nicht berücksichtigt.
Eine Bürgerwerkstatt in der die Anliegen und Meinungen der Bürger und Betroffenen nicht als Grundlage für weitere Entscheidungen des Stadtrats dienen, sondern stattdessen Vertreter aus Politik und Verwaltung mit Hilfe von ausgesuchten Stadtplanern das Ergebnis einer Bürgerwerkstatt selbst formulieren hat ihre Aufgabe nicht erfüllt.
Wir halten es für dringend notwendig den Dialog zur Zukunft des Viktoriaviertels unter Einbeziehung von Bürgern und Betroffenen wieder aufzunehmen, um nicht das Vertrauen der Menschen in Politik, Verwaltung und Partizipation komplett zu verlieren.
Offener Brief an den Bonner Stadtrat und die Stadtgesellschaft – Stellungnahme und Klarstellung zur Bürgerwerkstatt im Viktoriaviertel
Sehr geehrte Damen und Herren,
die vergangene Bürgerwerkstatt hat ihren Namen nicht verdient!
Als Ergebnis der Bürgerbeteiligung sollte eine Empfehlung der Bürgerinnen und Bürger an die Politik stehen. Tatsächlich haben Politik und Stadtverwaltung mithilfe ausgesuchter FachexpertInnen diese Empfehlung letztendlich selbst formuliert. Anstatt die BürgerInnen aussprechen zu lassen, wie sie sich die Zukunft des Viktoriaviertels vorstellen, wurde das Ergebnis der Bürgerwerkstatt von den TeilnehmerInnen der sogenannten Empfehlungskommission bestimmt.
Für die Bewertung der vorliegenden Entwürfe wurde dabei der Fokus auf möglichst viel Einzelhandelsfläche gelegt. Den Interessen und Bedürfnissen der dort lebenden und arbeitenden Menschen, welche diese konstant im Verlauf der Bürgerwerkstatt eingebracht haben, wurde keine ernstzunehmende Beachtung geschenkt.
Anstatt nun, wie versprochen, an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten, sollten wir uns zwischen zwei Entwürfen, von denen uns keiner komplett überzeugen konnte, entscheiden. Bei der folgenden Kampfabstimmung wurden dabei die betroffenen AnwohnerInnen und Gewerbetreibenden des Viktoriaviertels, der Förderverein des Stadtmuseums sowie die per Los gewählten BürgervertreterInnen durch die Mehrheit der stimmberechtigten PolitikerInnen und die mit doppeltem Stimmrecht ausgestatteten FachexpertInnen und Vertretern der Stadtverwaltung, schlichtweg überstimmt.
Thema verfehlt! Diese Art der Nicht-Beteiligung ist ein Skandal!
Die nun formulierte Empfehlung sieht nach wie vor einen großflächigen Abriss und einen Neubau vor, welcher die gewachsene Viertelstruktur und damit den Wohnraum und die Arbeitsplätze der Betroffenen vernichtet.
1. Das funktionierende lebendige Viktoriaviertel
- für das sich tausende Menschen eingesetzt und sich viele KünstlerInnen engagiert haben
- in dem Menschen unterschiedlichster Herkunft und Alters zusammen leben, arbeiten und feiern
- in dem Studierende, UnimitarbeiterInnen und ViertelbewohnerInnen sich versorgen und treffen
- in welchem es einen hohen Anteil an lokalem inhabergeführten Einzelhandel + Gastronomie gibt
- in dem über hundert Menschen ihren Arbeitsplatz haben
- in welchem es bezahlbaren Wohnraum gibt, welchen die Menschen in Bonn dringend benötigen
- in welchem sich mit der „Fiesta Viktoria“ ein sehr beliebtes Bonner Kulturhighlight etabliert hat
- für dessen Angebot und Charme sich auch viele „Nicht-BonnerInnen“ auf den Weg in die Stadt machen
wird unwiederbringlich zerstört.
2. Die Mieten für Geschäftsräume und Wohnungen werden deutlich steigen. Folglich werden sich statt lokalem inhabergeführten Einzelhandel und Gastronomie nur noch die Filialisten großer Ketten ansiedeln. So werden die Mieten für Familien, Studierende und RentnerInnen in der Regel zu teuer werden.
3. Mit dem Verkauf der städtischen Liegenschaften im Viktoriaviertel, welche trotz des leerstehenden Schwimmbads schwarze Zahlen schreiben, geht uns Bonnerinnen und Bonnern eine dauerhafte Einnahmequelle, öffentlicher Raum und Gebäude zur Allgemeinwohlnutzung verloren.
Deshalb lehnen wir den sogenannten Siegerentwurf von SKT entschieden ab. Stattdessen fordern wir eine behutsame Weiterentwicklung des Viktoriaviertels – putzen und benutzen statt großflächigem Abriss! Gerne sind wir zu Gesprächen bereit, um den fälligen Dialog zur Zukunft des Viktoriaviertels nachzuholen und um gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. Das ist wahrscheinlich die letzte Chance das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Politik, Verwaltung und Partizipation nicht endgültig zu verlieren.
Die ersten reden schon von einem neuen Bürgerbegehren – wir können es ihnen nicht verdenken.
Mit freundlichen Grüßen
Sara Faßbender – Bürgervertreterin
Bernhard Harlander – Bürgervertreter
Clara Arnold und Klara Esch – Nachbarschaftsverein Viktoriaviertel e.V.
Johannes Roth – Gewerbeverein Viktoriaviertel e.V.
http://www.sueddeutsche.de/politik/shopping-mall-alles-muss-raus-1.3793252?reduced=true
hallo louise,
danke für diesen spannenden hinweis.
ulrich