Die Geografin Kathrin Fiergolla hat im Rahmen Ihrer Diplomarbeit viele Akteure befragt: Initiatoren von Gemeinschaftsgärten, Vertreter der Stadt, der SoLaWi oder der Selbsterntegärten „meine Ernte“ .Das „Essbare Bonn“, so ihr Fazit, hat gute Chancen, sofern es diese zu nutzen weiß…
Urban Gardening ist in aller Munde – und das nicht erst seit gestern! Was meinen wir aber eigentlich, wenn wir vom Urban Gardening sprechen? Die bloße Urbarmachung städtischen Raums, Lebensmittelanbau in der Stadt? Demnach wäre Omas privater Gemüsegarten genauso Urban Gardening, wie Landwirt Meyers Salate, die auf den Feldern vor der Stadt sprießen und nun auf dem Wochenmarkt feil geboten werden? Doch Omas Gemüse bleibt in der Regel in der Familie und die Salate von Landwirt Meyer haben auch schon mal chemische Dünger und Pflanzenschutzmittel gesehen. Das Urban Gardening von heute sieht etwas anders aus: Es wird gemeinschaftlich gesät und geerntet, eher nicht (rein) kommerziell, (fast) immer ökologisch. Das bewirtschaftete Terrain ist oftmals Teil öffentlichen Raums und die Pflanz- und Ernte-Gemeinschaften erstrecken sich nicht nur auf Verwandte, Miet- oder Hausgemeinschaften. Urban Gardening ist eine neue Form urbaner Landwirtschaft, die sich ganzheitliche Experimentierfelder nachhaltiger Entwicklung schafft.
Eine solches Experimentierfeld findet die Bundesstadt Bonn keine 30 Kilometer rheinabwärts: Rund 15.000 Quadratmeter misst der Kölner Gemeinschaftsgarten NeuLand und ist damit der größte seiner Art in der gesamten Bundesrepublik. Auch der Blick rheinaufwärts versetzt Urban Gardening-Ambitionierte ins Staunen: Andernach hat den Spieß einfach umgedreht! Statt die urbanen GärtnerInnen mit Hacke und Setzling allein zu lassen, legt die Stadt selbst Hand an und verwandelt städtisches Grün in öffentliche Nutzgärten und lädt ihre Bürger ein: Kommt ernten!
Nun liegt die Bundesstadt Bonn dazwischen… Blickt sie rheinauf- oder abwärts? Was tut sich in der ehemaligen Hauptstadt und welche Akteure übernehmen das Feld?
Bonner Gärten für Leib und Seele – Was bisher geschah…
Die neue Bonner Landwirtschaft anno 2013 ist vor allem eine Bewegung aus der Bürgerschaft heraus: Zum Zeitpunkt der Erhebung verteilten sich 15 bürgerschaftlich-unternehmerische Initiativen über das gesamte Stadtgebiet, mit leichter Ballung am Messdorfer Feld. Zwei Netzwerke dienen dabei der Kommunikation und Bekanntmachung bzw. Vernetzung der Bonner Urban Gardening Begeisterten, namentlich GreenACT und Bonn im Wandel, die Transition-Initiative von Bonn. Praktische land- bzw. gartenwirtschaftliche Umsetzungen fanden sich im Jahr 2013 in 13 Projekt-Initiativen, Tendenz steigend:
- Veedelsgarten (Altstadt, Maxstraße)
- Ermekeilgarten (Südstadt, http://ermekeilgarten.de/)
- Rekultivierung der Gärten unterhalb der Rosenburg (Kessenich)
- Young Organics Gemeinschaftsgarten (Messdorfer Feld, www.youngorganics.de.vu)
- Internationaler Garten (Messdorfer Feld, www.wilabonn.de)
- Selbsterntegärten auf Gut Ostler (Messdorfer Feld, mittlerweile geschlossen)
- Solidarische Landwirtschaft Bonn (www.solawi-bonn.de)
- Gemeinschaftsgarten Vilich-Müldorf
- Gemeinschaftsgarten Burg Lede (Vilich-Müldorf)
- Himmel & Ääd Firmengarten des DLR (Oberkassel)
- VfG Mietergärtenprojekt am Stadtteilcafé (Mehlem, www.vfg-bonn.de)
- Naturinsel Pennenfeld – Garten der Begegnung (www.wohnen-im-pennenfeld.de)
- meine ernte Selbsterntegärten (Uedorf, zukünftig auch Buschdorf, www.meine-ernte.de)
Bezüglich ihrer Rahmenbedingungen und Eigenschaften, sind die Initiativen sehr heterogen aufgestellt, ihr kleinster gemeinsamer Nenner liegt im (geplanten) Praktizieren ökologischer Landbewirtschaftung, sowie der bewussten Abkehr von traditionellen Formen des städtischen Gärtnerns. Kleingärtnertum sorgt für Ablehnung, Gartenzwerge sucht man hier vergebens.
„Bonn goes Andernach?“ oder… was macht die Stadt eigentlich?
Finden sich am Bonner Hauptbahnhof zwar noch keine öffentlichen Gemüsebeete, so gestaltet die Stadt Bonn, namentlich das Amt für Stadtgrün, das Feld der neuen Bonner Landwirtschaft dennoch aktiv mit. Sie kooperiert mit der zivilgesellschaftlichen Bewegung, die sich ihrerseits mehrheitlich von der Stadt unterstützt fühlt. Beispiele städtischen Engagements in Puncto essbares Grün sind die 11 Obstwiesen auf Bonner Stadtgebiet, die gepflegt, weiterentwickelt und ausgebaut werden (alte Sorten, natürlich biologisch), sowie der Bauerngarten am Haus der Natur. Es handelt sich jedoch weniger um öffentliche Obstwiesen zur freien Bedienung. Die Erträge werden z.B. über das Haus der Natur vermarktet. Das Vorzeigeprojekt der Stadt schlechthin ist jedoch der Ausbau des Grünen C am Grünzug Buschdorf – Im Rosenfeld (hierzu: www.gruenes-c.de). Die agrarische Nutzung des Grünzugs wird in Kooperation mit einem Landwirt umgesetzt, der neben Salat, Erdbeeren und Spargel auch die Farbfelder bestellt – mit Sonnenblumen, Mohn, Senf oder Bienenweide (Phacelia). Auch weitere Selbsterntegärten in Zusammenarbeit mit meine ernte sind Teil des Projekts.
Eine breit angelegte innerstädtische Umgestaltung des öffentlichen Grüns ist von städtischer Seite dennoch nicht geplant und nicht gewollt: Die Stadt sieht sich nicht in der Position von oben herab „Top-down“ umzugestalten, ohne die BonnerInnen hinter sich zu wissen. Viele Grünräume sind kulturhistorisch gewachsen, haben ihre Anhängerinnen und Liebhaber; diese lassen sich nicht einfach in Gemüsebeete verwandeln, argumentiert die Stadt.
Essbares Bonn, quo vadis?
Ein deutliches Mehr an essbarem Grün im öffentlichen (v.a. innerstädtischen) Raum, müsste von den Bürgern der Bundesstadt wohl klassisch von unten, sprich „Bottom-up“ eingefordert werden. Die Stadt legt diesbezüglich aber sicher keine Steine in den Weg – im Gegenteil! Wo sich eine Mehrheit findet, möchte das Amt für Stadtgrün gerne unterstützen.
Fokussiert man also den Blick auf die Bottom-up-Bewegung, finden sich in Bonn vergleichsweise sehr gute Voraussetzungen, die den neuen Formen urbaner Landwirtschaft in Zukunft noch „Auftrieb“ verleihen könnten. Drei der 15 bürgerschaftlich-unternehmerischen Initiativen nehmen eine besondere Rolle innerhalb des Untersuchungsgegenstandes ein: „meine ernte“, der Internationale Garten und die Solidarische Landwirtschaft.
Alle drei sind bundesweit vernetzte Formen mit einem starken Rückgrat basierend auf einer „Quasi-Institutionalisierung“ über gemeinsame Leitbilder und Organisationsformen. Sie stellen der Bundesstadt eine solide Erfahrungs- und Wissensinfrastruktur bereit: Das bundesweit agierende Unternehmen „Meine Ernte“ hat seinen Firmensitz in Bonn; der Internationale Garten – als ältester Gemeinschaftsgarten Bonns – ist eine von derzeit rund 180 Initiativen in Deutschland; und mit der Solidarischen Landwirtschaft installierte sich der Ableger einer international vernetzten Agrarreform-Bewegung in Bonn. Hinsichtlich ihrer ökonomischen Bedeutung ist die zukünftige Entwicklung der SoLawi für die neue Bonner Landwirtschaft von besonderem Interesse. Denn eine solidarische Vollbewirtschaftung des Messdorfer Felds könnte durchaus Leuchtturmcharakter gewinnen. Langfristig wird die neue Bonner Landwirtschaft, möchte sie sich der städtischen Lebensmittelproduktion verstärkt annehmen, vermehrt auf unternehmerische PartnerInnen zurückgreifen müssen. Größere Projekte lassen sich auf Basis reinen Ehrenamts kaum nachhaltig realisieren.
Kathrin Fiergolla