True Cost: Warum Billig-Lebensmittel zu teuer sind

Von Endenich bis Beuel sieht man sie: Große Werbeplakate mit dem Slogan: „Spar nicht  an der Sonnencreme – Spar bei N….! „Die Botschaft ist: Bei uns kannst du sparen.  Hier gibt es günstige Lebensmittel. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. In Wirklichkeit bezahlen für wir viel mehr, als auf dem Preisschild steht. Industrielle Massenware bezahlen wir mit Insektensterben, Verseuchung der Gewässer, Klimaerwärmung, Stickoxiden in der Luft, Antibiotikarestistenzen und ernährungsbedingten Krankheiten,…. True Cost heißt ein Forschungsansatz, der nun versucht die wahren Kosten unserer Lebensmittel aufzudecken. Alles deutet darauf hin, dass wir uns Billiglebensmittel nicht mehr lange leisten können.

November 2017: Mit großer Presse und Prominenz  aus Politik, Wirtschaft , Wissenschaft und NGOs stellt die Stiftung für Nachhaltige Lebensmittel  ihr Gutachten„The Hidden Cost of UK Food“ („Die versteckten Kosten der britischen Lebensmittel“) der Öffentlichkeit vor. Das Ergebnis: Verbraucherinnen und Verbraucher bezahlen ihre Lebensmittel zweimal. Einmal an der Ladentheke und ein zweites Mal indirekt, auf Wegen, von denen sie überhaupt nichts ahnen. Die verstecken Kosten entstehen zum Beispiel durch Stickoxide, Feinstaub und Treibhausgase. Aber auch durch Bodenabbau, Überdüngung von natürlichen Lebensräumen, Lebensmittelabfälle, Antibiotikaresistenzen oder Lebensmittelimporte aus wasserarmen Gebieten. „Diese Kosten stehen nicht auf dem Preisschild“, heißt es in dem Bericht.

Was ist das Problem, wenn die wahren Kosten nicht sichtbar sind? Lebensmittel scheinen günstiger, als sie eigentlich sind. “ Wenn sich die Folgekosten jedoch im Preis eines Lebensmittels finden, dann wird dieses Produkt fälschlich zu einem zu niedrigen Preis angeboten und – in der Folge – in zu großer Menge verkauft“ heißt es in einer Studie der Augsburger des Ökonomen Tobias Gaugler und der Geografin Paulina Simkin. Sie fanden heraus, dass allein der Einsatz von künstlichen Stickstoff in Deutschland im Jahr 2008 von 11,5 Milliarden Euro Folgekosten verursacht hat. Der größte Teil des Stickstoffs im Grundwasser stammt aus Massentierhaltung und intensivem Anbau so genannten  nachwachsenden Rohstoffen wie Mais. Diese Kosten finden sich nicht auf dem Preisschild der Wurst, sondern beispielsweise auf der Wasserrechnung der Kommunen.

So kommt es, dass immer mehr Lebensmittel produziert werden, die uns in Wahrheit teuer zu stehen kommen. Volkswirte sprechen in diesem Fall von einem Marktversagen. Da hilft es auch nicht, dass immer mehr Menschen Biolebensmittel greifen. Es sind immer noch viel zu wenig. Der Großteil unserer Lebensmittel ist wird konventionell hergestellt, ist hochverarbeitet, weit gereist und aufwändig verpackt.

Es mag so wirken, als ob wir die Lebensmittelproduzenten kritisieren. So sollte dieser Bericht aber nicht verstanden werden“, schreibt Patrick Holden, der Geschäftsführer des Sustainable Food Trust.

Das Lebensmittelsystem besteht aus Politikern, Gesetzgebern, Landwirten, Zulieferunternehmen, Wissenschaftlern, Pädagogen, Importeuren, Exporteuren, Professoren, Händlern und der Öffentlichkeit, sowohl Verbrauchern als auch Bürgern. Jeder kann mit seinem Finger auf den anderen zeigen, aber in Wahrheit sind wir alle schuldig.

Die Empfehlungen des Gutachtens richten sich daher an alle gesellschaftlichen Akteur*innen.

  • Vermeidet Lösungen die  nur eine einzelne Ursache bekämpfen, erkennt den Wert von ganzheitlichen Ansätzen und der Berechnung der wahren Kosten.
  • Macht Kampagnen, damit die Wirtschaft und Politik die wahren Kosten der Lebensmittelproduktion sichtbar macht.
  • Fordert von der Lebensmittelindustrie Preise, die die Wahrheit sagen.
  • Die Politik muss sich dafür einsetzen, dass Unternehmen, die Umweltschäden verursachen, benachteiligt werden und Praktiken und Produkte gefördert werden, die gut für die Umwelt und Gesellschaft sind.
  • Besondere Aufmerksamkeit muss den schädlichsten Betriebsmitteln gelten.

Das Gutachten empfiehlt zum Beispiel, den Einsatz von Stickstoffdüngern in der Landwirtschaft zu besteuern. Mit den Einnahmen sollten Maßnahmen gefördert werden, die dafür sorgen dass wieder Humus im Boden aufgebaut und damit CO2 im Boden gebunden wird.

„Es gab schon viele landwirtschaftliche Revolutionen in den letzten 10.000 Jahren der Menschheitsgeschichte. Wir könnten uns inmitten einer neuen befinden und es könnte die wichtigste sein“, schreibt Professor Jules Pretty, University of Essex, im Vorwort der britischen Studie.

Gesa Maschkowski, Bonn im Wandel

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