Heute wurde unten stehender Brief der Signa veröffentlicht. Unsere Reaktion darauf könnt ihr hier lesen:
Signa droht der Stadt: Bürgerwerkstatt im Viktoriaviertel soll delegitmiert werden
SIGNA Prime Selection AG, Palais Harrach, Freyung 3, 1010 Wien
An Herrn
Oberbürgermeister Ashok Sridharan
Bürgerbüro
Altes Rathaus Markt
D-53111 Bonn
Wien, am 25. September 2017
Betreff: Bürgerbeteiligung Viktoriakarree
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Bürgerbeteiligung zum Viktoriakarree ist am 11. Februar 2017 an den Start gegangen und wurde als Bürgerwerkstatt konzipiert, hat mehrere Phasen durchlaufen und für die Bevölkerung von Bonn verschiedene Kanäle zur Beteiligung bereitgehalten. Es sollten damit Ideen, Perspektiven und Kernthemen für die Entwicklung und Nutzung des Viertels seitens der Bevölkerung herausgearbeitet und konkretisiert werden.
Wir von SIGNA haben eine breite Einbindung der Bonner Bevölkerung immer begrüßt, uns der offenen Diskussion gestellt und uns intensiv mit Vorschlägen eingebracht – getragen immer vom Wunsch hier einen attraktiven, die Interessen vieler wiederspiegelnden Vorschlag für die zukünftige Nutzung des Viktoriakarrees zu unterbreiten. Leider wurde diese Bürgerwerkstatt von Anbeginn an nicht von einer breiten Öffentlichkeit getragen, sondern nur von vereinzelten Partikularinteressen, die nicht die Gesamtentwicklung der Bonner Innenstadt im Fokus haben.
Wir betonen das deshalb, weil unser Konzept immer einen Mix aus unterschiedlichen Nutzungen vorsah und sowohl den für die gesamte Innenstadt notwendigen Einzelhandel als auch attraktive Gastronomie oder studentische Infrastruktur wie z.B. Studentenapartments beinhaltete.
Weder wollten oder wollen wir eine komplette Überbauung des Areals – das wäre auch gar nicht möglich – noch plädieren wir für eine radikale Durchkommerzialisierung wie uns immer wieder fälschlicherweise unterstellt wird. Zudem brauchen und fördern wir die kleinteilige Struktur im Karree sowie das studentische Flair. Das vielfältige städtische Leben ist ein zwingendes Erfordernis für die Attraktivität und den Erfolg eines Projektes an diesem Standort und damit ein Erfolg für alle Beteiligten in der Stadt.
Im ursprünglichen Exposé der Unterlagen für die EU weite Ausschreibung ist ausgeführt, dass die Bonner City sich aufgrund unterschiedlichster Vorzüge als wichtiges Einkaufs- und Aufenthaltsziel der Region auszeichnet und der Bereich des Viktoriakarrees in der Bonner Innenstadt sowie unmittelbar benachbarter städtischer und privater Grundstücke im gleichen Baublock einer Aufwertung zugeführt werden soll. Das sind die selbstgesteckten aber auch realistischen Ziele seitens der Stadt Bonn für das Karree.
Wie auch bei unserem letzten Zusammentreffen in Bonn zum wiederholten Male betont, waren und sind wir bis zuletzt mit viel Einsatz und Energie bei der Bürgerbeteiligung Viktoriakarree engagiert gewesen und halten die oben erwähnten Ziele der Stadt Bonn für die auf diesem Standort beste Möglichkeit der Entwicklung und Aufwertung. Wir mussten aber feststellen, dass alle 4 Entwürfe, die in der Bürgerwerkstatt für die Bürgerbeteiligung Viktoriakarree seitens der wenigen aktiven Teilnehmer erarbeitet wurden, diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Wir dürfen Ihnen daher anbei unsere individuelle Bewertung der einzelnen Projekte darstellen:
skt umbaukultur Architekten BDA
Theoretisch ist hier großflächiger Einzelhandel möglich (rund 8.500 m² BGF oberirdisch) dieser ist aber praktischerweise nicht vorgesehen und somit erreicht man für den Standort keine übergeordnete Bedeutung. Die Planung sieht eine prominente Markthalle im Zentrum vor, es gibt aber weder einen Betreiber noch einen Pächter oder Mieter. Vor allem aber konkurriert diese Idee mit dem Markt am Marktplatz bzw kanibalisiert dieses Konzept mit der alteingesessenen Struktur im Zentrum von Bonn. Der Entwurf bedeutet eine völlige Aufgabe der kleinteiligen Struktur durch die losgelöste Architektur und verursacht eine Zerstörung des vorhandenen städtischen Raumes im Zentrum der Stadt und ein Negieren des Bestandes. Die Rathausgasse und die Franziskanerstraße zur Fußgängerzone zu machen, entspricht der Logik, insgesamt die Fuzo in der Innenstadt zu vergrößern und auch Richtung Rhein zu verlängern um den Rhein „näher an die Stadt zu bringen“. Das Projekt leider leistet keinen Beitrag – weder für die Gesamtstadt als Handelsoberzentrum noch für die vorhandene kleinteilige Struktur. Wirtschaftlich macht das Konzept nach einer ersten Analyse auch wenig bis keinen Sinn.
Büro Scheuvens und Wachten:
Ein Kleinkaufhaus wie vorgeschlagen ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht überlebensfähig, weil ein zu kleines Angebot vorhanden ist um zusätzliche Kunden in dieses Format zu bewegen. Kleinteiligkeit ist in Bonn schon zur Genüge vorhanden. Vor allem stellen sich Fragen wie: Wer soll der Betreiber sein und wer sind die Mieter? Die Idee des „Mit-mach Haus“ klingt anfänglich fast romantisch, lässt aber völlig offen, wer es betreiben soll oder wer für die Errichtungskosten aufkommen soll? Wahrscheinlich ist da wieder die Stadt gefordert, die gleichzeitig aber versucht gerade die Fläche zu verkaufen, um Erlöse für das angespannte Budget zu bekommen. In dem Fall würden keine Erlöse für die Stadt, sondern wiederum hohe Kosten auf sie zukommen. Die Verlagerung des Stadtmuseums in das ehemalige Viktoria Bad erzeugt ebenso keine Erlöse, jedoch hohe Umbau und Instandhaltungskosten. Mit dieser Konzeption besteht keine Möglichkeit der Schaffung eines Handelsschwerpunktes zur Herstellung oder zur Erhaltung des Gleichgewichts der Handelsbereiche innerhalb der Stadt Bonn. Das Gegengewicht zu den neuen großen Handelsobjekten am Bahnhof und Friedensplatz fehlt. Die Schaffung eines Parks im Blockinneren erscheint zwar als nette Idee, aber ist insofern ohne wesentlichen Mehrwert, da der Hofgarten in unmittelbarer Nachbarschaft zum Viktoriakarree liegt. Somit wäre der Park im Viktoriakarree ausschließlich für die Anwohner. Warum soll ein wertvolles Grundstück im Zentrum von Bonn in einen Park umgewandelt werden, wenn ohnehin direkt daneben ein großer Park existiert. Eine notwendige Verdichtung und damit Schaffung von Urbanität wird nicht genutzt. In dieser Konzeption wird die Stockenstraße leider nicht zur Fußgängerzone, da die Tiefgaragenabfahrt erhalten bleibt. Die vorgeschlagenen Nutzungen bringen keinen wirtschaftlichen Ertrag für die Stadt – ganz im Gegenteil: Sollte ein Park errichtet werden, so vernichtet er eigentlich den Ertrag durch den möglichen Verkauf des Viktoriabades. Zudem leistet das Projekt keinen Beitrag für die Gesamtstadt und zur Steigerung der Attraktivität.
Büro KCAP Architcts&Planners
Positiv hervorzuheben ist, dass die bunte Mischung aus Gastronomie, Gewerbe, Einzelhandel und Wohnen ein lebenswertes Projekt ausmachen könnte. Zu bemängeln ist, dass die vorgeschlagenen kleinteiligen Handelsflächen in Bonn derzeit ausreichend vorhanden sind und die Schaffung von Höfen im Verhältnis zu den entstehenden kleinen Handelsflächen auch für die Händler unwirtschaftlich ist. Die Höfe sind sehr klein und finden keine gewachsene Struktur wie die oft zitierten Hackeschen Höfe in Berlin vor. Diese Mini-Höfe erzeugen voraussichtlich ein enges und dunkles Ambiente. Die vorgeschlagene phasenweise Entwicklung mit unterschiedlichen Investoren erscheint uns als nicht wirtschaftlich. Es gibt keine Möglichkeit zur Schaffung eines Handelsschwerpunktes zur Herstellung / Erhaltung des Gleichgewichts der Handelsbereiche innerhalb der Stadt Bonn. Auch hier fehlt das Gegengewicht zu den neuen großen Handelsobjekten am Bahnhof und Friedensplatz. Auch dieses Projekt leistet keinen Beitrag für die Gesamtstadt.
Molestina architekten + FSWLA Landschaftsarchitektur
Zwar ist die Neubelebung des Viertels durch Gastronomie, Einkaufen, Wohnen und Bestandsanierung zu begrüßen. Aber dennoch gibt auch dieses Projekt keine Möglichkeit zur Schaffung eines Handelsschwerpunktes zur Herstellung oder Erhaltung des Gleichgewichts der Handelsbereiche innerhalb der Stadt Bonn. Der Zugang zum Innenbereich ist unattraktiv, da er zu versteckt ist. Zudem fehlt das Gegengewicht zu den neuen großen Handelsobjekten am Bahnhof und Friedensplatz. Der kleinteilige Handel im Blockinnern ist nicht überlebensfähig weshalb insgesamt zu beurteilen ist, dass auch dieses Projekt keinen Beitrag für die Gesamtstadt leistet.
Wir haben im gesamten Bürgerbeteiligungs-Prozess die Stadtverwaltung immer nur als Prozess-Moderatoren wahrgenommen und nie als größten betroffenen Grundeigentümer. Bis heute gibt es seitens der Verantwortlichen in Bonn keine Nutzungsüberlegungen für das ehemalige, seit Jahren geschlossene Viktoriabad.
Wir wollten ihnen – auch mit der fast 20jägrigen Erfahrung eines Stadtentwicklers in diesem Bereich – unsere klare Analyse der 4 vorgestellten Empfehlungen übermitteln. Wir sind nach wie vor zu 100% von unserem Projekt überzeugt. Wir haben bei anderen Projekten bewiesen, dass unsere Konzeption zu einer allgemeinen Aufwertung für das jeweilige Quartier und den gesamten Innenstadtbereich führt. Wir lassen sowohl die nötige Professionalität als auch die Behutsamkeit in der Weiterentwicklung eines Stadtquartiers walten um ein Projekt in all seinen Dimensionen realisieren zu können.
Wir sehen diese Möglichkeit zum aktuellen Stand der Bürgerbeteiligung nicht mehr gegeben, auch vermissen wir, wie bereits ausgeführt, die Rolle der Stadt Bonn als größter, betroffener Grundeigentümer.
Wir sehen unter diesen Gesichtspunkten keine wirtschaftlich sinnvoll umsetzbare Weiterentwicklung des Viktoria Karrees und daher als SIGNA-Gruppe auch keine Chance mehr, im laufenden Prozess nachhaltig umsetzbare Konzepte zu entwickeln. Wir verschließen uns nicht der weiteren Diskussion zur Verbesserung der Situation im Viktoria Karre, aber nicht unter der Prämisse von vereinzelten Partikularinteressen. Für weiterführende Gespräche zur Abstimmung der Interessen der beiden größten Grundeigentümer stehen wir jederzeit und konstruktiv zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Stadlhuber Bernhard Jost