Ist das Viktoriaviertel noch zu retten? (Und wie partizipativ ist die Bürgerwerkstatt?)

Vor zwei Jahren wurde der Viva Viktoria e.V. gegründet. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht allzu viel über die Pläne für das Viertel und die sich abzeichnenden Auseinandersetzungen. Erstaunt war ich dann im Herbst 2015 über die Präsenz der Initiative auf den Straßen. In Bonn? So viel Einsatz und Elan? Ich war wirklich überrascht, das hätte ich – ehrlich gesagt – nicht erwartet. Und es freut mich sehr, dass ich eines Besseren belehrt wurde!

Rückblick

Worum ging es? Das Viktoriabad wurde 2010 geschlossen und im Jahr 2014 folgte die Ausschreibung für eine Neugestaltung des Viertels. Obwohl die Pläne der Signa und von Hochtief als mangelhaft bewertet wurden, gab der Stadtrat der Signa Holding den Zuschlag. Resultat: Der Abriss des Viertels und Neubau als Mall. Interessanterweise hatte sich die Signa schon vor dem Zuschlag einige Grundstücke im Viertel gesichert.

Vom Bürgerbegehren…

Das von Viva Viktoria initiierte Bürgerbegehren richtete sich gegen den Ratsbeschluss vom 18.6.2015 zum Verkauf städtischen Grund und Bodens an die Signa. Die am 5.9.2015 gestartete Unterschriftenaktion war ein voller Erfolg und bereits einen Monat später wurden über 18.000 Unterschriften abgegeben. Am Montag, den 30.11. schließt sich der Stadtrat mit knapper Mehrheit dem Bürgerbegehren an. Somit wurden die Pläne der Signa vorerst gestoppt. Die Durchführung einer Bürgerwerkstatt wurde angekündigt.

… über die große Stille…

Und dann? Dann passierte erstmal lange nichts und gleichzeitig ganz viel. Die Signa lässt Mietverträge enden und vermietet ihre Immobilien nicht neu. Das Viertel wird bewusst verfallen gelassen. Dies erhöht den Druck auf die Stadtverwaltung eine „schnelle Lösung“ zu finden. Wie lange bleiben all die Ehrenamtlichen bei der Stange um sich für ein lebenswertes Viertel einzusetzen?

Im Mai 2016 besetzte die LIZ eine der Signa Immobilien. Hausbesetzungen hielten in Bonn bisher nie lange an. Hier war es anders: Erst im Januar 2017 wurde die Rathausgasse 6 geräumt. Ein Haus zu besetzen ist illegal, ein Haus unbewohnt verfallen zu lassen ist jedoch legal. Im Grundgesetz steht, dass Eigentum verpflichtet. Die LIZ hat über Monate einen Raum für öffentliche Veranstaltungen geschaffen und das ist ihr hoch anzurechnen.

Im Sommer 2016 verfasste Holger von welovepubs.de eine ausführliche Zusammenfassung der Geschehnisse inklusive Stellungnahmen der Parteien, die es sich zu lesen lohnt!

…zur sogenannten Bürgerbeteiligung

Am 26.10.2016, fast ein Jahr (!) nachdem sich der Rat dem Bürgerbegehren anschloss, ging es auch von Seiten der Stadt endlich weiter. Die versprochene Bürgerbeteiligung kam, begann jedoch mit Nicht-Beteiligung: Der Bau- und Vergabeausschuss der Stadt hat in einer geheimen Sitzung die Agentur zebralog mit der Durchführung einer Bürgerwerkstatt beauftragt. Das Konzept der Werkstatt wurde am 19.12.2016 vorgestellt und stieß auf viel Kritik.

Der Prozess gliedert sich in drei Phasen:

  1. Von Januar bis Ende April können Ideen eingebracht werden. Dazu gab und gibt es mehrere Veranstaltungen, Workshops und eine Onlinebeteiligung. Am 29.4. gibt es zum Abschluss der Beteiligung einen Markt der Ideen und einen Workshop.
  2. Im September gibt es eine dreitägige Planerwerkstatt. Hier werden vier Planungsbüros damit beauftragt, die Ideen in Nutzungskonzepte umzusetzen. Es gibt Möglichkeiten Feedback zu den Entwürfen zu geben.
  3. Eine Jury diskutiert die Entwürfe öffentlich und spricht eine Empfehlung für die Bauleitplanung aus. Die Zusammensetzung dieser Jury ist noch nicht klar, vermutlich werden nur wenige BürgerInnen dort vertreten sein.

Ich habe in der ersten Phase mein Plakat gemalt und eingereicht. Damit bin ich aber sehr unzufrieden, weil es einfach nicht das wiederspiegelt, was ich mir für das Viertel wünsche. Um das aber herausfinden zu können, hätte es einen Prozess gebraucht, der Diskussion, inhaltliches Feedback und Lernen beinhaltet. Weil es dafür in der offiziellen Werkstatt keinen Platz gab, haben wir das eben selber organisiert.

Ist es wirklich Sinn der Sache, dass fast 90.000€ für eine Werkstatt ausgegeben werden und dann nebenher ehrenamtlich ein Workshop organisiert werden muss um in einen konstruktiven Prozess zu kommen? Das ist nicht unbedingt ein Vorwurf an zebralog. Ich sehe es als ein Versäumnis in der Konzeption und Planung einer Bürgerwerkstatt an, wenn die Bedürfnisse der Bürger*innen nicht ernsthaft abgefragt werden. Gut möglich, dass die Vorgaben der Stadt dies nicht zuließen.

Mein Verständnis von Partizipation ist, dass den BewohnerInnen einer Stadt die Möglichkeit gegeben wird, eine aktive Rolle in Planungs- und Umsetzungsprozessen spielen. Eine aktive Rolle müssen wir uns momentan jedoch hart erkämpfen. Die Einbeziehung von Bürge*innen muss schon während der ersten Planungen geschehen, in diesem Fall direkt nachdem sich der Rat dem Bürgerbegehren angeschlossen hat.

Auch die Umsetzung von Vorhaben kann anders ablaufen, als dies üblicherweise der Fall ist. Erst kürzlich beschrieben drei MitarbeiterInnen von zebralog das Konzept des Taktischen Urbanismus, das die Stadt als Ort des Experimentierens und Ausprobierens sieht.

Bürgerbeteiligung im Viktoriaviertel – Eine verpasste Chance?

Stattdessen bekamen wir ein Jahr später einen Prozess vor die Nase gesetzt in den wir Ideen einspeisen dürfen, in dem jedoch Experten planen und entscheiden. Der Prozess mag zwar teilweise transparent sein, partizipativ ist er für mich aber noch lange nicht. Leider wurde es versäumt bürgerschaftliche Initiativen, die zum Teil über hervorragende inhaltliche und methodische Kompetenzen verfügen,  in den Prozess einzubeziehen.

Was heißt das nun fürs Viktoriaviertel? Die Jury-Sitzungen im September werden öffentlich sein. Die Hoffnung ist, dass es dort eine ernsthafte Auseinandersetzung über vier gute Konzepte gibt. Das Ergebnis des Bürgerbegehrens muss respektiert werden, was bedeutet, das ein großflächiger Abriss keine Option ist.

Unser Einfluss als BewohnerInnen dieser Stadt endet am Samstag. Lasst uns diese Zeit nutzen, um laut zu sagen, was wir uns für eine lebenswerte Stadt wünschen!

Hierfür gibt es in dieser Woche eine Vielzahl von Möglichkeiten:

Aber am wichtigsten: Lasst euch nicht unterkriegen! Lasst uns noch viele Leute so überraschen, wie ich 2015 von Viva Viktoria überrascht wurde!

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